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Rickert, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 1. Abhandlung): Die Logik des Prädikats und das Problem der Ontologie — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.40152#0161
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YI. Sein als Erkenntnisprädikat, als Denkprädikat u. als Copula. 153
Wir brauchen darum trotzdem die Behauptung, daß Copula-
Sein und Prädikat-Sein streng voneinander zu trennen sind, nicht
ganz aufzugeben, aber wir müssen sie allerdings auf die Trennung
von Copula-Sein und Erkenntnis form einschränken. Ist da-
gegen das „Sein“ in Wahrheit bloße Denkform, dann erscheint die
Trennung in Prädikat-Sein und Copula-Sein einigermaßen „künst-
lich“, falls man einen solchen Ausdruck in logischen Untersuchungen
überhaupt gestatten will. Sie hat jedenfalls keine wesentliche sach-
liche Bedeutung mehr, denn sobald wir auch nur den Ansatz zu
einer gegenständlichen Prädizierung mit dem „ist“ machen, spre-
chen wir damit implicite dem Subjekt auch schon die allgemeinste
Denkform „Sein“ als Prädikat zu, und das ist logisch durchaus
in Ordnung. Wir haben ja gesehen, daß etwas, das in keiner Weise
„ist“, sich nicht einmal denken, geschweige denn erkennen läßt.
Wir dürfen also sagen: das Copula-Sein in der Form des „ist“
bedeutet immer bereits das allgemeinste Sein auch als Denk-
Prädikat.
Nur ist ebenso immer wieder zu betonen: wir bringen mit
diesem Sein als bloßer Denkform noch keine gegenständliche Er-
kenntnis zustande. „Etwas ist“ gibt noch keine gegenständliche
Wahrheit. Das „Sein“ eignet sich deshalb so gut zur Copula, weil
es für sich allein noch keine Erkenntnis zum Ausdruck bringt. So-
bald die Wahrheit über einen Gegenstand in Frage kommt, sinkt
das allgemeinste Sein zu einem bloßen Prädikats an s at z herab und
muß immer erst durch einen Zusatz vervollständigt werden, der
aus ihm eine Erkenntnisform macht. Vorher kann das Sein als
Prädikat nicht einmal die einfachste Wahrheit über einen Gegen-
stand zum Ausdruck bringen. Es ist bloße Denkform, ebenso wie
Identität oder Widerspruch Denkformen sind. Daher gibt auch
der Satz „a ist a“ keine gegenständliche Erkenntnis. Das „ist“
in ihm ist auch als Prädikat nur Denkform.
Weiter brauchen wir die Lehre von der Struktur des logischen
Sinnes jeder Erkenntnis im allgemeinen und vom „Sein“ als dem
Prädikat des wahren Sinnes im besonderen nicht auszuführen. Es
kam vor allem darauf an, die Vieldeutigkeit zum Bewußtsein
zu bringen, die das Wort „sein“ besitzt. Das, was darüber zu
sagen ist, fassen wir als das wichtigste Ergebnis, bevor wir weiter
gehen, noch einmal kurz zusammen und heben es so aus den not-
wendig etwas komplizierten Gedankengängen heraus.
In dem Copula-Sein haben wir höchstens den Ansatz zu einem
 
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