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Rickert, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 1. Abhandlung): Die Logik des Prädikats und das Problem der Ontologie — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.40152#0162
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Zweiter ontologischer Teil.

gegenständlichen Erkenntnis-Prädikat, und auch das nur, wenn es
in der Gestalt des „ist“ auftritt. Dieser erste Begriff des Seins
muß dann absolut allgemein gefaßt werden und läßt als bloßes
Copula-Sein eine besondere Bestimmung oder Differenzierung nicht
zu. Von derselben Allgemeinheit ist auch das zweite Sein als
logisches Denk-Prädikat überhaupt. Seine unbedingte Allgemein-
heit behält dies Prädikat ebenfalls nur, solange es bloße Denk-
form bleibt. Soll das Sein zur Erkenntnisform, also zu einem
dritten Sein, werden, das gegenständliche Wahrheit über etwas
in der Welt oder über die Welt selbst zu konstituieren vermag, so
verlangt es eine nähere Bestimmung oder Differenzierung. Es ist
nicht möglich, von irgendeinem inhaltlich bestimmten Subjekt ein
sekundäres, inhaltlich bestimmtes Prädikat auszusagen, wenn man
dem Subjekt (als einem Inhalt in den beiden Denkformen der
Identität und des „Seins überhaupt“) nur das allgemeine Prädikat
„sein“ und nicht außerdem noch eine besondere Art des Seins als
Erkenntnisform beigelegt hat. Erst so wird das Subjekt zu einem
Gegenstände in der Welt, die man erkennen will..
Die Trennung des allgemeinen Seins als einer bloßen Denk-
form von den besonderen Arten des Seins als Erkenntnisformen ist
vor allem von Wichtigkeit. Ohne sie zu vollziehen, wird man über
kein ontologisches Problem zur Klarheit kommen. Will die Onto-
logie gegenständliche Erkenntnis über die „seiende“ Welt geben, so
verhilft ihr das allgemeine Sein als bloße Denkform für sich allein
dazu noch nichts. Erst eine besondere Erkenntnisform „Sein“ hat
ontologische Relevanz. Man könnte das eine Sein auch „reflexiv“,
das andere „konstitutiv“ nennen. Doch die Ausdrücke sind histo-
risch sehr belastet. Damit keine Unklarheit entsteht, wollen wir,
wenn „Sein“ als Erkenntnisprädikat, nicht nur als Denkprädikat,
gemeint ist und der Zusammenhang darüber einen Zweifel bestehen
lassen sollte, an welches Sein man zu denken hat, stets von dem
Sein eines Gegenstandes oder von dem „Sein in der Welt“,
eventuell auch von dem Sein „einer“ Welt, oder, wenn das onto-
logische Hauptproblem gemeint ist, von dem Sein „der“ Welt
sprechen. Dann können wir sagen: wo das Sein eines Gegenstandes
oder das Sein der Welt in Frage steht, reicht weder das Copula-Sein
noch das Sein als bloße Denkform aus. Da ist nur das Sein als
besondere Erkenntnisform zu verwenden.
Von den Erkenntnisformen, die alle unter den dritten Begriff
des Seins gebracht werden müssen, gibt es dann eine Mehrheit
 
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