Metadaten

Rickert, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 1. Abhandlung): Die Logik des Prädikats und das Problem der Ontologie — Heidelberg, 1930

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.40152#0185
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
YII-I. Ontologie, und Metaphysik.

177

kann man selbstverständlich auch tun. Über terminologische
Fragen läßt sich immer streiten. Aber zweckmäßig wäre diese
Terminologie nicht. Eindeutiger und vollständiger ist es, den Ge-
danken, die nur Gedanken sind, und die deshalb noch zu keinem
.„Sein“ der Welt im Sinne der Ontologie Vordringen, nicht allein
ein Ansichseiendes oder Transzendentes gegenüberzustellen, sondern
zwischen die beiden Extreme, die bloßen Gedanken einerseits
und das transzendente Jenseits andererseits, ein Drittes als ein
diesseitiges Sein der Welt zu setzen, das weder bloßer Gedanke,
noch bereits ein Jenseits der diesseitigen Welt ist, sondern ein
Sein, das zwar den bloßen Gedanken „transzendiert“, im übrigen
sich aber durchaus im Diesseits hält und insofern „immanent“
bleibt.
Gerade auf dies dritte „Sein“ kommt es hier an, wo der Begriff
einer umfassenden Ontologie in Frage steht, und zu ihm, das sich
so wenig wie das „Transzendente“ in bloße Gedanken des Ich-Sub-
jekts auflösen läßt, werden wir dann nicht nur die gesamte wirk-
liche Sinnenwelt, also die Körper und die seelischen Vorgänge der
Individuen, rechnen, sondern auch die unmittelbar verstehbaren
unsinnlichen, überindividuellen Gebilde, zu denen jeder wahre
„Sinn“ eines Satzes, jede verstehbare Wortbedeutung und noch
vieles Andere gehört. Von all diesem nur diesseitig und insofern
„immanent“ Seienden gibt es doch unzweifelhaft auch „Erkennt-
nis“, und sie braucht sich als Erkenntnis eines Weltteils um die
Probleme eines „Ansichseienden“, d. h. eines nicht nur die Gedan-
ken, sondern auch die diesseitige Welt überhaupt „transzendieren-
den“ Seins der Welt nicht zu kümmern. Sie kann sich auf ihr
besonderes Gebiet des diesseitigen Seins der Welt beschränken
und wird dann allerdings, falls sie vorsichtig ist, eine solche Be-
schränkung auch insofern ausüben, als sie sich hütet, zu bestrei-
ten, daß es außer dem Diesseits, das sie erkennen will, überhaupt
noch ein Jenseits der Welt geben könne, welches dann ein „An-
sichseiendes“ oder ein „ontos on“ zu nennen ist.
Kurz, hält man die drei Sphären, die des „bloßen Gedankens“,
die des „diesseitigen Welt-Seins“ und die des „jenseitigen Welt-
Seins“ streng auseinander, was man muß, um einen umfassenden
Seinsbegriff zu erhalten, und läßt die Alternative: „bloße Gedanken“
oder „Ansichseiendes“ endgültig fallen, dann fehlt jeder Grund,
den zutreffenden Satz, daß alle Erkenntnis notwendigerweise
„Seinserkenntnis“ ist, mit dem andern, problematischen Satz zu

Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1930/31. 1. Abh.

12
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften