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Rickert, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 1. Abhandlung): Die Logik des Prädikats und das Problem der Ontologie — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.40152#0187
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VIII. Ontologie und Metaphysik.

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Wissenschaft, läßt sich nur im engsten Zusammenhang mit der
Erkenntnisfrage wissenschaftlich beantworten. Wir sahen schon
früher: ausschließlich Teilwissenschaften sind in der Lage, ihren
besonderen Teil des Seienden zu erforschen, ohne die Erkenntnis-
frage zu stellen, denn nur die Seinsart ihres besonderen Seienden
versteht sich von selbst. ,,Das Sein“ der Welt dagegen, welches
die Ontologie erforschen will, ist nicht nur niemals „selbstverständ-
lich“, wie wir gezeigt haben, sondern überhaupt kein „Gegenstand“
in der Weise wie irgendein Weltteil. Sein bleibt immer Prädikat.
„Das Sein“ der Welt als Subjekt ist streng genommen stets der
Inbegriff des Seienden, d. h. das als seiend Prädizierte. Wir müssen
also, das zeigt sich hier, von neuem, stets sorgfältig zwischen „dem
Sein“ der Welt als Prädikat oder als Form einerseits und „dem
Seienden“ der Welt als einem Inhalt in der Welt-Form andererseits
unterscheiden. Diese Trennung darf auch, ja gerade die Ontologie
nie vergessen. Nur dann vermag sie als Wissenschaft von der
Welt „das Seiende“ mit Rücksicht auf „das Sein“ zu erkennen.
Sobald wir aber auch nur die Frage stellen: was ist das Sein
des Seienden ? sind wir bereits in der Erkenntnistheorie oder der
Logik. Vollends läßt die Frage sich nicht beantworten, ohne daß
wir über das Wesen des Prädikats „sein“ und die Rolle, die es in
wahren Sätzen über das Seiende spielt, Klarheit erreicht haben.
So steht das allgemeine Prinzip, auf dem der Zusammenhang von
Logik und Ontologie beruht, auch in dieser Hinsicht fest.
Um ihn weiter zu verfolgen, können wir nicht bei so allge-
meinen Erörterungen wie den bisher angestellten stehen bleiben,
sondern müssen uns wieder an besonders bestimmte Beispiele
haltert. Zu diesem Zweck empfiehlt es sich, daß wir auch einmal
einen Blick auf Gedanken aus der Vergangenheit der Philosophie
werfen, von denen wir heute noch abhängig sind. Dabei können
wir jedoch die Unterscheidung von Ontologie und Metaphysik nicht
mehr durchführen, denn die weitaus meisten Ontologien der Ver-
gangenheit haben, wie gewiß nicht bestritten werden soll, einen
metaphysischen Charakter. Wir müssen daher schon jetzt von der
Bedeutung der Logik auch für die Metaphysik sprechen. Doch
werden wir das Problem, was die Logik für eine bewußt und aus-
schließlich metaphysische Fragestellung zu sagen hat, später noch
ausdrücklich und gesondert behandeln.
Denken wir zuerst an die Ontologie, die maßgebend für das
gesamte europäische Philosophieren geworden ist, nämlich die

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