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Rickert, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 1. Abhandlung): Die Logik des Prädikats und das Problem der Ontologie — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.40152#0217
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X. Sein und Nichts.

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haben soll, muß der Ausdruck „nichts“ das Andere der Welt als
Glied einer Alternative meinen, in der das eine Glied „die Welt“
ist. Dann aber ist auch gegen die Verwendung des Wortes „Nichts“
als Subjekt eines wahren Satzes nichts einzuwenden.
Ja noch mehr. Der Begriff des Nichts kann unter dieser Vor-
aussetzung in einem theoretischen Zusammenhang sogar besonders
wichtig werden, nämlich dann, wenn er auf das Andere der er-
kannten oder erkennbaren Welt hinweist, so daß nun die
folgende Welt-Alternative entsteht: auf der einen Seite haben wir
die Welt in den Erkenntnisformen, die wir auf ihre Inhalte an-
wenden, um ihnen durch Prädizierung einen Platz im Sein der Welt
zu bestimmen, und auf der andern Seite haben wir das Nichts als
das Andere der uns bekannten Welt, von dem wir zwar in keiner
Weise sagen können, unter welche Erkenntnisform es fällt oder
welches Prädikat ihm als Subjekt zukommt, dem wir aber darum
trotzdem irgendein völlig unbekanntes „Sein“ nicht abzu-
sprechen brauchen. So kann das Nichts zum Subjekt eines wahren
Satzes werden: das Nichts ist das Unerkennbare,
Nur eines sei endlich noch bemerkt. Das, was wir soeben aus-
führten, betrifft allein den sozusagen äußersten Fall der Anders-
heit, der zeigen soll, daß, sogar bei völliger Negierung jeder uns
bekannten Welt, das Nichts als das Andere der gesamten Welt
trotzdem noch eine positive Bedeutung behält. Es gibt aber
außerdem noch andere Fälle, in denen das Nichts eine weniger
radikale Bedeutung besitzt und dann vollends einen positiven Sinn
hat, nämlich den, nur bestimmte Arten des Seins in der Welt
zu verneinen, um dadurch die anderen um so mehr in den Vorder-
grund zu rücken. So kann man von einem „Nichts“ sprechen als
dem, worauf es bei dem „eigentlichen“ Sein der Welt nicht an-
kommt. Aber dies Nichts läßt sich dann nur als Verneinung be-
sonderer Seinsarten verstehen und ist im übrigen eventuell sogar
eminent positiv. Auch daraus entstehen logisch keine Schwierig-
keiten oder gar Widersprüche.
Wir wollen endlich noch versuchen, die sehr allgemeinen und
abstrakten Ausführungen über die Logik des negierten Prädikates
„Sein“ dadurch dem Verständnis näher zu bringen und ihre Be-
deutung für die Metaphysik aufzuzeigen, daß wir auf einige Bei-
spiele von Gedankengebilden eingehen, in denen der Begriff des
Nichts früher eine Rolle gespielt hat. Wir werden dabei sehen,
wie die Schwierigkeiten, welche diese Gedanken wegen der Sprache,

Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1930/31. 1. Abh.

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