Metadaten

Levy, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 5. Abhandlung): Die römische Kapitalstrafe — Heidelberg, 1931

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.40156#0018
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
18

Ernst Levy:

bunizische Interzession vereitelt werden kann.1 Ging in solchem
Falle der Schuldige außer Landes, so blieben ihm Prozeß und
Damnation nicht erspart2, und er fand sich nun in der gleichen
Lage wie der erst nach dem Schuldspruch Entwichene. In beiden
Fällen machte regelmäßig ein im Rahmen des Vollstreckungsver-
fahrens ergehender, stets der damnatio folgender und nicht mit
ihr identischer3 Beschluß, den der Magistrat von den Komitien
oder von der Plebsversammlung erwirkte4, die freiwillige Verbannung
zur erzwungenen: wem so aqua et igni interdiziert war, der konnte
heimischen Boden ohne Lebensgefahr nicht mehr betreten.5 Die
gesetzliche Todesstrafe wurde rechtlich weder beseitigt noch ge-
mildert6 noch alternativ gestaltet, aber faktisch war sie abgewandt.
TO. Dieser Weg der Selbstverbannung ist seit alters beschritten
worden7, Jahrhunderte vor Sulla und seinen Quästionen. Je mehr
der civis sich aus der wachsenden Menge der Peregrinen heraus-
zuheben begann, um so lieber ermöglichte man es ihm, dem Beile
des Henkers auszuweichen. Die Verpönung der Untersuchungs-
haft ist bereits in der Mitte des 2. vorchristlichen Jahrhunderts
feste Übung:
Polyb. hist. 6, 14, 7:
ToR ydp öavdxou Kpivopevonj, (brav Kaxa&iKdtCuuvxai, öiöojai
xrjv eHoucriav xö Trap’ auxoR eOoq aTraXXdxxeöVai qpavepujg,
Kav exi pia Xemrixai qpuXrj xujv eTtiKupoucrüuv xpv xpicnv aipricpo-
tpoppxog, exoucnov eauxou Kaxayvovxa cpuyabefav.
Bis also die letzte für die Bestätigung des Urteils erforderliche
Stimme abgegeben ist, darf der Magistrat die Flucht des Bürgers
1 Mommsen 827 f.; Strachan-Davidson I 161, 163.
2 Mommsen 71 f., 333 f.; Hitzig (ob. S. 16 3) 196.
3 Vgl. den folgenden Text; s. auch Festus Aqua et igni . . . interdici solet
damnatis.
4 Daß der Beschluß ein rein «administrativer Akt» ist, erhellt deutlich
auch aus der Zuständigkeit der Plebs (Liv. 25, 4, 9; 26, 3, 12) und der Un-
zuständigkeit der Quästionen. Sehr richtig Mommsen, Strafr. 72 1, 964 gegenüber
Staatsrecht II 3 139 2; III 52 2, wonach der Beschluß «selbstverständlich mit der
Damnation des Exul verbunden» war. Wenn der Magistrat die Ausweisung
regelmäßig nicht eigenmächtig verfügte, so hatte das gewiß nur den Zweck,
sie über das Amtsjahr hinaus in Geltung zu erhalten (Mommsen 72x).
5 Mommsen 72, 623, 935 f.; Hartmann, RE. «Aquae et ignis interdictio».
6 So Mommsen 71; Hitzig 196.
7 Belege z. B. bei Mommsen 712; Hartmann aaO. Strachan-Davidson I 160.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften