Die römische Kapitalstrafe.
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grundsätzlich nicht hindern.1 Erst wenn die Verurteilung formell
feststeht, gewinnt er die Freiheit der Entschließung, den Übeltäter
zu verhaften und der Exekution zuzuführen.
Aber wer wird sich dann noch greifen lassen? Höchstens der
von seiner Unschuld Überzeugte, der bis zum letzten Augenblick
den Kampf ums Recht nicht aufgab. Verdiente der die katastro-
phale Zurücksetzung? Das kann nicht sein.2 Als Polybios schrieb,
war der Werdegang in vollem Fluß. Sein Bericht läßt die weitere
Entwicklung mit Händen greifen. Das eöoq, das den Angeklagten
mit der Haft verschonte, konnte auf die Dauer nicht vor dem Ab-
geurteilten haltraachen. Wie weit die Dinge schon 169 (also unmittel-
bar bevor Polybios nach Rom kam) gediehen waren, beleuchtet in
dem Perduellionsverfahren gegen die beiden Zensoren der Schwur
des einen: si collega damnatus esset, non exspectato de se iudicio
comitem exsilii eins futurum (Liv. 43, 16, 15). Wann endgültig die
sofortige Verhaftung untersagt worden ist, steht nicht genau fest.3
Die Lex Sempronia v. J. 123 hat sich wohl nur gegen den gerichtet,
der indemnatos eives in carcerem coniecisset.4 Aber sehr viel jünger
werden die anonymen Gesetze nicht gewesen sein, die Caesar in
der sallustischen Senatsrede für die Catilinarier zweimal in be-
tontem Anschluß an die die Geißelung des Bürgers verbietende
Lex Porcia5 erwähnt:
Sali. Catil. 51, 22: ... an quia lex Porcia vetat? at aliae
leges item condemnatis civibus non animam eripi, sed
exilium permitti iubent.
eod. 40: postquam res publica adolevit et multitudine
civium factiones valere, circumveniri innocentes, alia huius-
1 Das ist kein ausnahmsloser Zwang. Das Gegenteil wäre besonder»
verabscheuungswürdigen gemeinen Verbrechern gegenüber, denen auch die-
Tribunen ihre Hilfe versagten, nicht bloß ungeheuerlich, sondern auch quellen-
widrig. Denn die vereinzelten Hinrichtungen, die doch jedenfalls bis zum
Jahre 90 v. Chr. bezeugt sind (s. u. S. 27 J), ließen sich sonst nicht erklären.
S. auch Mommsen 327 f., 979; anders Strachan-Davidson I 167 ff. Vgl. über den
carcer ferner Costa, Cic. II 663.
2 S. auch Strachan-Davidson I 160 3, II 62.
3 Die gelegentlichen Hinweise, die F. Münzer, Hermes 47 (1912), 168. 172.
180. 181 hierzu gibt, stimmen, wie mir scheinen will, untereinander nicht ganz
überein; ich kann ihnen nur teilweise beitreten.
4 Liv. ep. 61 i. f. und dazu Mommsen 3291.
5 Zeit ungewiß. Am ehesten ist wohl an den älteren Cato zu denken.
Vgl. über sie Mommsen 31 3, 47 3, 163 ß 9383; JRotoxdi, Leges 268f.; Strachan-
Davidson I 1101, 125 f., 161.
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grundsätzlich nicht hindern.1 Erst wenn die Verurteilung formell
feststeht, gewinnt er die Freiheit der Entschließung, den Übeltäter
zu verhaften und der Exekution zuzuführen.
Aber wer wird sich dann noch greifen lassen? Höchstens der
von seiner Unschuld Überzeugte, der bis zum letzten Augenblick
den Kampf ums Recht nicht aufgab. Verdiente der die katastro-
phale Zurücksetzung? Das kann nicht sein.2 Als Polybios schrieb,
war der Werdegang in vollem Fluß. Sein Bericht läßt die weitere
Entwicklung mit Händen greifen. Das eöoq, das den Angeklagten
mit der Haft verschonte, konnte auf die Dauer nicht vor dem Ab-
geurteilten haltraachen. Wie weit die Dinge schon 169 (also unmittel-
bar bevor Polybios nach Rom kam) gediehen waren, beleuchtet in
dem Perduellionsverfahren gegen die beiden Zensoren der Schwur
des einen: si collega damnatus esset, non exspectato de se iudicio
comitem exsilii eins futurum (Liv. 43, 16, 15). Wann endgültig die
sofortige Verhaftung untersagt worden ist, steht nicht genau fest.3
Die Lex Sempronia v. J. 123 hat sich wohl nur gegen den gerichtet,
der indemnatos eives in carcerem coniecisset.4 Aber sehr viel jünger
werden die anonymen Gesetze nicht gewesen sein, die Caesar in
der sallustischen Senatsrede für die Catilinarier zweimal in be-
tontem Anschluß an die die Geißelung des Bürgers verbietende
Lex Porcia5 erwähnt:
Sali. Catil. 51, 22: ... an quia lex Porcia vetat? at aliae
leges item condemnatis civibus non animam eripi, sed
exilium permitti iubent.
eod. 40: postquam res publica adolevit et multitudine
civium factiones valere, circumveniri innocentes, alia huius-
1 Das ist kein ausnahmsloser Zwang. Das Gegenteil wäre besonder»
verabscheuungswürdigen gemeinen Verbrechern gegenüber, denen auch die-
Tribunen ihre Hilfe versagten, nicht bloß ungeheuerlich, sondern auch quellen-
widrig. Denn die vereinzelten Hinrichtungen, die doch jedenfalls bis zum
Jahre 90 v. Chr. bezeugt sind (s. u. S. 27 J), ließen sich sonst nicht erklären.
S. auch Mommsen 327 f., 979; anders Strachan-Davidson I 167 ff. Vgl. über den
carcer ferner Costa, Cic. II 663.
2 S. auch Strachan-Davidson I 160 3, II 62.
3 Die gelegentlichen Hinweise, die F. Münzer, Hermes 47 (1912), 168. 172.
180. 181 hierzu gibt, stimmen, wie mir scheinen will, untereinander nicht ganz
überein; ich kann ihnen nur teilweise beitreten.
4 Liv. ep. 61 i. f. und dazu Mommsen 3291.
5 Zeit ungewiß. Am ehesten ist wohl an den älteren Cato zu denken.
Vgl. über sie Mommsen 31 3, 47 3, 163 ß 9383; JRotoxdi, Leges 268f.; Strachan-
Davidson I 1101, 125 f., 161.
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