Die römische Kapitalstrafe.
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Majestätsverbrechen des Q. Varius (a. 90) der jüngste Fall zu sein,
in dem die Vollstreckung der Todesstrafe1 einwandfrei feststeht.2
Und dieser Fall war, wie einige andere nicht viel weiter zurück-
liegende3, von einem Quästionengericht abgeurteilt worden. Schon
daraus erhellt, wie haltlos die Meinung ist, daß der Geschworenen-
prozeß, weil provokationslos, niemals4 oder fast nie5 zum Tode
habe führen können. Und doch schreibt Mommsen6: «Die Tatsache
selbst steht außer Zweifel, teils dadurch, daß bei dem Staatsver-
brechen neben der neuen Prozeßform die magistratisch-komitiale
festgehalten und daß bei dem Mord die schwerste Kategorie des
Verwandtenmordes längere Zeit dem Komitialprozeß Vorbehalten
wurde.»
Das erste Argument dürfte nicht beweisend, das zweite selbst
nicht beweisbar sein. Allerdings waren für die Perduellion auch
noch nach der Einrichtung der quaestio maiestatis (Leges Appuleia,
Varia, Cornelia) die Komitien zuständig. Aber diese Zuständigkeit
läßt, wenigstens in den uns bekannten Prozessen7, nicht schon
1 Cic. de nat. deor. 3, 81: summo cruciatu supplicioque Q. Varius . . . pe-
riit; vgl. Val. Max. 8, 6, 4 (absumpsit)', 9, 2, 2. Auch Cic. Brutus 305 i. f.
excesserat kann auf den Tod gehen. S. hierzu Mommsen 1982; Rotondi, Leges 339;
nicht zutreffend Strachan-Davidson I 238 \
2 L. Vettius starb a. 59 im Kerker, aber nicht im Wege einer Urteils-
vollstreckung (so versehentlich Mommsen 9301), sondern vermutlich von inter-
essierter Seite ermordet (Mommsen, Rom. Gesch. III8 217; Münzer aaO. 178f.;
die Quellen s. auch bei Rein, Kriminalrecht 432). -— Herophilus oder Amatius,
der falsche Marius, ist a. 44 auf Anordnung des Antonius oder iussu patrum
necatus in carcere (Val. Max. 9, 15, 1); Näheres über ihn Münzer, RE. XIV
1815 ff. Der Prozeß war also kein ordentlicher und der Betrüger vermutlich
auch kein Römer: sein Name legt das ebenso nahe wie sein Stand (ocularius
medicus); dazu vgl. Friedländer-Wissowa, Sittengeschichte I9 189.
3 Zur Lex Peducaea über den Incest der Vestalinnen (a. 114) vgl. Ascon. in
Milon 32, p. 46 : (L. Cassius) ... eas ... nimia etiam, ut existimatio est, asperitate usus
damnavit; s. auch Val. Max. 3, 7, 9 : propter nimiam severitatem. Dazu Mommsen,
Staatsrecht II 6642, Strafrecht 1973. — Zur Lex Mamilia über den Landesverrat
im Jugurthinischen Krieg (a. 110) vgl. Sali. Jug. 40, 5: quaestio exercita aspere
violenterque. Dazu Mommsen, Staatsrecht II 6651, Strafrecht 1974.
1 So z. B. Hartmann, RE. II 309.
5 So Mommsen (folg. Anm.) und ebenso wohl Arangio-Ruiz, Corso di storia
197, insofern sie das Parricidium als «Ausnahme» einräumen. Über das Selt-
same einer solchen Ausnahme auch Strachan-Davidson II 27 f.
6 201; vgl. 942.
7 Über die Prozesse des Qu. Metellus Numidicus (a. 100), Catulus und
Merula (a. 87), C. Rabirius (a. 63), Cicero (a. 58) s. Mommsen 1743-6. 722. Weiteres
bei Lengle 23 ff. 45 ff. und zum Rabiriusprozeß ob. S. 225.
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Majestätsverbrechen des Q. Varius (a. 90) der jüngste Fall zu sein,
in dem die Vollstreckung der Todesstrafe1 einwandfrei feststeht.2
Und dieser Fall war, wie einige andere nicht viel weiter zurück-
liegende3, von einem Quästionengericht abgeurteilt worden. Schon
daraus erhellt, wie haltlos die Meinung ist, daß der Geschworenen-
prozeß, weil provokationslos, niemals4 oder fast nie5 zum Tode
habe führen können. Und doch schreibt Mommsen6: «Die Tatsache
selbst steht außer Zweifel, teils dadurch, daß bei dem Staatsver-
brechen neben der neuen Prozeßform die magistratisch-komitiale
festgehalten und daß bei dem Mord die schwerste Kategorie des
Verwandtenmordes längere Zeit dem Komitialprozeß Vorbehalten
wurde.»
Das erste Argument dürfte nicht beweisend, das zweite selbst
nicht beweisbar sein. Allerdings waren für die Perduellion auch
noch nach der Einrichtung der quaestio maiestatis (Leges Appuleia,
Varia, Cornelia) die Komitien zuständig. Aber diese Zuständigkeit
läßt, wenigstens in den uns bekannten Prozessen7, nicht schon
1 Cic. de nat. deor. 3, 81: summo cruciatu supplicioque Q. Varius . . . pe-
riit; vgl. Val. Max. 8, 6, 4 (absumpsit)', 9, 2, 2. Auch Cic. Brutus 305 i. f.
excesserat kann auf den Tod gehen. S. hierzu Mommsen 1982; Rotondi, Leges 339;
nicht zutreffend Strachan-Davidson I 238 \
2 L. Vettius starb a. 59 im Kerker, aber nicht im Wege einer Urteils-
vollstreckung (so versehentlich Mommsen 9301), sondern vermutlich von inter-
essierter Seite ermordet (Mommsen, Rom. Gesch. III8 217; Münzer aaO. 178f.;
die Quellen s. auch bei Rein, Kriminalrecht 432). -— Herophilus oder Amatius,
der falsche Marius, ist a. 44 auf Anordnung des Antonius oder iussu patrum
necatus in carcere (Val. Max. 9, 15, 1); Näheres über ihn Münzer, RE. XIV
1815 ff. Der Prozeß war also kein ordentlicher und der Betrüger vermutlich
auch kein Römer: sein Name legt das ebenso nahe wie sein Stand (ocularius
medicus); dazu vgl. Friedländer-Wissowa, Sittengeschichte I9 189.
3 Zur Lex Peducaea über den Incest der Vestalinnen (a. 114) vgl. Ascon. in
Milon 32, p. 46 : (L. Cassius) ... eas ... nimia etiam, ut existimatio est, asperitate usus
damnavit; s. auch Val. Max. 3, 7, 9 : propter nimiam severitatem. Dazu Mommsen,
Staatsrecht II 6642, Strafrecht 1973. — Zur Lex Mamilia über den Landesverrat
im Jugurthinischen Krieg (a. 110) vgl. Sali. Jug. 40, 5: quaestio exercita aspere
violenterque. Dazu Mommsen, Staatsrecht II 6651, Strafrecht 1974.
1 So z. B. Hartmann, RE. II 309.
5 So Mommsen (folg. Anm.) und ebenso wohl Arangio-Ruiz, Corso di storia
197, insofern sie das Parricidium als «Ausnahme» einräumen. Über das Selt-
same einer solchen Ausnahme auch Strachan-Davidson II 27 f.
6 201; vgl. 942.
7 Über die Prozesse des Qu. Metellus Numidicus (a. 100), Catulus und
Merula (a. 87), C. Rabirius (a. 63), Cicero (a. 58) s. Mommsen 1743-6. 722. Weiteres
bei Lengle 23 ff. 45 ff. und zum Rabiriusprozeß ob. S. 225.