Die römische Kapitalstrafe.
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poena cullei1, die wir bald hernach weiter in Geltung sehen.2 Viel-
mehr sollte der Magistrat fortan in der Wahl der Todesart durch
altes Herkommen ebensowenig eingeengt sein wie bei sonstigen
Morden — falls es zur Exekution überhaupt kam. Die facultas
alternativa zur bloßen Verbannung brauchte Pompeius nicht ein-
zuschärfen; sie war ja seit langem fester Bestand und wird gerade
beim parricidium schon von dem jungen Cicero (a. 80) als selbst-
verständlich vorausgesetzt.3
Aus alledem ergibt sich, daß die Einführung des Quästionen-
prozesses oder seine Verallgemeinerung durch Sulla mit der Ge-
schichte der Todesstrafe nicht das mindeste zu tun hat.4 Die
Tendenz zu ihrer Verdrängung reicht in ihren Anfängen so weit
zurück wie unsere Überlieferung; sie war mit dem Ende des
2. vorchristlichen Jahrhunderts durch das grundsätzliche Verbot der
alsbaldigen Verhaftung selbst des Verurteilten zu ihrem Abschluß
gelangt (S. 19 f.). Seit dem Jahre 90 ist im ordentlichen Verfahren
keine Hinrichtung eines Bürgers mehr bezeugt (S. 27). Die zufällig
letztbezeugte vollstreckt ein Geschworenenurteil. Nicht das min-
deste Anzeichen läßt darauf schließen, daß die Quästionen ein
Gerichtshof zweiten Grades gewesen wären, der, wenn die Tat mit
dem Leben gebüßt werden sollte, hinter den Komitien hätte zurück-
stehen müssen. Wenn es richtig wäre, daß «das Provokationsrecht,
die verfassungsmäßige Notwendigkeit der Bestätigung der Bürger-
schaft bei jedem magistratischen Todesurteil, in dem Rechtsbewußt-
sein des Römers als politischer Glaubenssatz feststand und die
Ersetzung der komitialen Majorität durch die Majorität der Privat-
geschworenen gegen diesen Satz verstieß»5, so wären die Quästionen
nie oder doch nie provokationslos geschaffen worden. Wie die
Untersuchungshaft in der Epoche der Komitialgerichtsbarkeit
prinzipiell fortfiel, so fehlt sie auch in den Quästionen, und wenn
in hypothetischen Fällen von diesem Grundsatz Ausnahmen ge-
macht worden sein sollten6, so werden sie hier wie dort Platz
gegriffen haben. Daß dem Quästionenprätor als solchem gerichts-
verfassungsmäßig das Recht zur Verhaftung des Angeschuldigten
1 So Hitzig, Schweiz. Z. f. Strafr. 9, 405.
2 Suet. Aug. 38, Senec. de dem. 1, 15, 7; 1, 23, 1.
3 Ob. S. 28 7.
1 Anders — statt aller — Mommsen 201. 591. 941 f. und sonst; richtiger 73.
5 Mommsen 201.
6 Ob. S. 191.
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poena cullei1, die wir bald hernach weiter in Geltung sehen.2 Viel-
mehr sollte der Magistrat fortan in der Wahl der Todesart durch
altes Herkommen ebensowenig eingeengt sein wie bei sonstigen
Morden — falls es zur Exekution überhaupt kam. Die facultas
alternativa zur bloßen Verbannung brauchte Pompeius nicht ein-
zuschärfen; sie war ja seit langem fester Bestand und wird gerade
beim parricidium schon von dem jungen Cicero (a. 80) als selbst-
verständlich vorausgesetzt.3
Aus alledem ergibt sich, daß die Einführung des Quästionen-
prozesses oder seine Verallgemeinerung durch Sulla mit der Ge-
schichte der Todesstrafe nicht das mindeste zu tun hat.4 Die
Tendenz zu ihrer Verdrängung reicht in ihren Anfängen so weit
zurück wie unsere Überlieferung; sie war mit dem Ende des
2. vorchristlichen Jahrhunderts durch das grundsätzliche Verbot der
alsbaldigen Verhaftung selbst des Verurteilten zu ihrem Abschluß
gelangt (S. 19 f.). Seit dem Jahre 90 ist im ordentlichen Verfahren
keine Hinrichtung eines Bürgers mehr bezeugt (S. 27). Die zufällig
letztbezeugte vollstreckt ein Geschworenenurteil. Nicht das min-
deste Anzeichen läßt darauf schließen, daß die Quästionen ein
Gerichtshof zweiten Grades gewesen wären, der, wenn die Tat mit
dem Leben gebüßt werden sollte, hinter den Komitien hätte zurück-
stehen müssen. Wenn es richtig wäre, daß «das Provokationsrecht,
die verfassungsmäßige Notwendigkeit der Bestätigung der Bürger-
schaft bei jedem magistratischen Todesurteil, in dem Rechtsbewußt-
sein des Römers als politischer Glaubenssatz feststand und die
Ersetzung der komitialen Majorität durch die Majorität der Privat-
geschworenen gegen diesen Satz verstieß»5, so wären die Quästionen
nie oder doch nie provokationslos geschaffen worden. Wie die
Untersuchungshaft in der Epoche der Komitialgerichtsbarkeit
prinzipiell fortfiel, so fehlt sie auch in den Quästionen, und wenn
in hypothetischen Fällen von diesem Grundsatz Ausnahmen ge-
macht worden sein sollten6, so werden sie hier wie dort Platz
gegriffen haben. Daß dem Quästionenprätor als solchem gerichts-
verfassungsmäßig das Recht zur Verhaftung des Angeschuldigten
1 So Hitzig, Schweiz. Z. f. Strafr. 9, 405.
2 Suet. Aug. 38, Senec. de dem. 1, 15, 7; 1, 23, 1.
3 Ob. S. 28 7.
1 Anders — statt aller — Mommsen 201. 591. 941 f. und sonst; richtiger 73.
5 Mommsen 201.
6 Ob. S. 191.