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Levy, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 5. Abhandlung): Die römische Kapitalstrafe — Heidelberg, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.40156#0074
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74

Ernst Levy:

zuges: Gai. D. 28, 1, 8, 1. 2. 4.1 Danach dürfte der § 36 ein
römisches Vorbild nicht gehabt haben. Auch sachlich können die
peffru apgaxfigaia den durch die besondere römische Entwicklung
geprägten res capitales2 nicht gleichgesetzt wrerden.3
D.
Ü7. Überblicken wir die Haltung des mit Konstantin an-
hebenden Zeitalters. Es kontrastiert auch hier stark mit dem
voraufgehenden. Vor allem in drei Richtungen. Der Anwendungs-
bereich des Terminus capitalis erstreckt sich über das ganze Straf-
recht, ohne Bindung an bestimmte Rechtsquellen oder Tatbestände.
Die «Kapitalstrafe» wird zum primären Begriff, das «Kapital-
verbrechen» ist nur noch Rückstand älterer Normen und nirgends
mehr Element frischer Rechtsbildung. «Kapital» ist überall —
in den massenhaften capitalis-Wendungen wie in den weit weniger
häufigen caput-Verbindungen — nur noch die Todesstrafe.
Die Gründe hegen zutage. Die rechtsquellenhafte Radizierung
des capitalis-Begriffs hatte sich schon im Laufe der klassischen
Epoche als mißlich erwiesen; sie wurde um so bedenklicher, je
größer die Zahl der crimina extraorclinaria wurde, die neben den
iudicia publica aufkamen. Sobald die Leges Corneliae und Juliae
den Zusammenhang mit der weiteren Entwicklung verloren, ver-
mochte sich auch das iudicium publicum neuklassischen Stils nicht
mehr zu behaupten. Es ging denselben Weg, den längst zuvor
das Geschworenengericht gegangen war. Von solcher Verkoppelung-
befreit, stand capitalis voraussetzungslos neuer Prägung offen.
Die Rolle, die das Kapitalverbrechen als Rechtsbegriff der
klassischen Periode spielte, hing eng mit der Gewaltenteilung zu-
sammen, die im Quästionenverfahren zwischen Schuldspruch und
Strafverhängung eine Grenze zog. Der Schuldspruch machte den
capitis reus zum rei capitalis danmatus ohne Rücksicht darauf, wie
die Vollstreckung ausging. Die neue Epoche fand die Gewalten-
teilung versunken, die Schuld- und Strafsentenz verschmolzen,
den Richter seiner Bewegungsfreiheit weithin beraubt. Da war
für ein Sonderrecht der res capitalis kein Bedürfnis mehr. Wo
1 Für die spätere Zeit s. z. ß. noch UIp. D. 48, 13, 3 i. f.; 48, 22, 14, 1
(rest.); Modest, fragm. ex libris differentiarum (Krüger, Collect. II 161; Seckel-
Kübler II 168).
2 Oben 8. 62 fl.
3 Anders in diesem Punkte Wilcken aaO., P. M. Meyer, SZ. 50, 535.
 
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