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Levy, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 5. Abhandlung): Die römische Kapitalstrafe — Heidelberg, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.40156#0075
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Die römische Kapitalstrafe.

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sie vereinzelt noch auftaucht, ist sie sekundäre Umschreibung: eben
das Verbrechen, das zur Kapitalstrafe geführt hat oder führen
wird. Sie weist dann unmittelbar auf die poena capüalis. Das
ist der lebendige Kernbegriff der Gegenwart.
Er bedeutet die Todesstrafe und sie allein. Daß bisher auch
andere Strafen zu den capitales rechneten, war Ausdruck einer
Zeit gewesen, die Hinrichtungen zu vermeiden strebte und an ihrer
Stelle den Verlust von Freiheit oder Zivität als die «Haupt»strafe
empfand — nicht so sehr aus Motiven allgemeiner Humanität wie
aus dem Verlangen, den auserwählten civis Romanus von der Masse
der gentes auch in diesem Betracht gebührend abzuheben. Das
Hochgefühl überdauerte aber die Republik nicht lange, der civis
verblaßte in dem Untertan. Die Kognition machte von vornherein
vor der Enthauptung des Bürgers nicht halt. Die Differenzierung
schwand vollends mit der antoninischen Verallgemeinerung des
Bürgerrechts, die im Strafrecht naturgemäß nicht auf eine Hinauf-
stufung des peregrinus, sondern auf die Deklassierung des civis
hinauslief. Seitdem es von Konstantin ab in immer zahlreicheren
Fällen wirklich um den Kopf auch des'Bürgers ging, fand sich
dafür wie von selbst der Terminus capüalis wieder, der dem Nicht-
bürger niemals aufgehört hatte die Todesstrafe zu sein.
Wie von selbst. Es war weder willkürliche Neuerung noch
an römische Vorzeit anknüpfender Historismus, was der kaiserlichen
Kanzlei des neuen Dominus von Anbeginn1 die Feder führte.
Der Kreislauf in der Geschichte der Todesstrafe, der vor einem
halben Jahrtausend begonnen hatte, vollendete sich. Ihn spiegelt
der Kreislauf des capüalis-Begriffes getreulich wider. Die Erweite-
rungen und Beschränkungen, die die Wandlungen des materiellen
und prozessualen Strafrechts dem Worte auferlegt hatten, fielen
ab, nachdem die Ursache jener Wandlungen gewichen war, und
das Wort erhielt so auch in der technischen Sprache seinen ur-
sprünglichen Sinn zurück. Capite punire und capitis poena bildeten
im Gesamtbereich des Begriffs keine Enklave mehr. Die Umbildung
ins Zeitgemäße war im Ergebnis zugleich eine Rückbildung ins
Ursprüngliche.
Sie verlief jedoch nicht ohne Hemmungen. Gar zu gewaltig
drückte der Koloß des klassischen Werkes auf die Epigonen. Die

1 Schon der früheste Erlaß, der uns aus dem Cod. Theod. überkommen
ist (10, 10, 1 vom 18. Januar 818), nennt die poena capitalis.
 
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