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Levy, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 5. Abhandlung): Die römische Kapitalstrafe — Heidelberg, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.40156#0076
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76

Ernst Levy: Die römische Kapitalstrafe.

inneren Gründe für die geschilderten Veränderungen wären im
3. Jahrh. schon sämtlich gegeben gewesen: die Umgestaltung des
Prozesses, die Nivellierung der Zivität, die Rauheit der Zeiten
mit ihrer Geringschätzung des Menschenlebens. Aber die Kraft-
losigkeit von Jurisprudenz und Praxis verhinderte eine Auflehnung
gegen die überlebte Tradition, und Diokletians Parole des Pomanis-
mus wirkte in derselben Richtung.
Erst Konstantins Impuls räumte mit allen Bedenklichkeiten
auf. Die zogen sich in die Rechtsschulen zurück. Im 5. Jahrh.
sahen wir Eudoxios mit seiner methodisch nicht widerlegbaren
Berufung auf die klassische Begriffsbestimmung am Werk. Die
Kompilation bringt auch in unserer Frage den geschichtlich ebenso
unschätzbaren wie rechtlich unzeitgemäßen Rückschlag. Ihr Wider-
spruch überschneidet die Grenzlinie von Leben und Tod. Wo
Justinian selbst spricht, kennt er capitalis nur im konstantinischen
Sinn; wo er sammelt, macht er sich die entgegengesetzten Äuße-
rungen des Prinzipats nicht minder zu eigen. Der Widerspruch
war so absurd, daß er die Praxis wohl kaum irgendwann irregeführt
hat: die klassischen Definitionen und Erörterungen über die res
capitalis sowohl wie über die iuclicia publica gehören zu den Be-
standteilen des Corpus iuris1, die weder zu seiner Zeit noch zu
irgendeiner späteren Geltung erlangt haben.2 3 Die Theorie aber
kam über sie nicht hinweg. Sie hat jene Definitionen in Byzanz
wie in Bologna4 als kursgängige Münze genommen und krankt
an diesem Zwiespalt noch heute.
1 Einschließlich der Institutionen: 4, IS, 2 (s. ob. S. 451).
2 Dies einstweilen zu Riccobono, Nichilismo critico-storico nel campo del
diritto romano e meclievale (Palermo 1930) 28ff.
3 Vgl. etwa den Digestenindex des Dorotbeos ob. S. 564, 598; den Anonymos
schol. TToüßXiKa zu D. 48, 1, 2 (Heimbach V 671), sch. KecpaXtKp zu D. 37, 1,
13 (IV 55); die Basiliken 2, 2, 100 (I 49); die späteren Scholien 1 und 2 zu
Bas. 60, 33, 2 (V 671), 1 zu Bas. 60, 51, 2 (V 854). Zu der entgegengesetzten
lebendigen Anschauung der Zeit vgl. ob. S. 58 ff.; ferner Thal, und Theod.
zu C. 9, 22, 22 (V 797f.); Theod. zu C. 9, 47, 25 (V 876) usw.
4 Siehe die Glosse zu den ob. S. 39, 43ff. wiedergegebenen Stellen; nicht
einmal D. 21, 1, 23, 2 gibt ihr Anlaß, die Antinomie zu vermerken.
 
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