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Friedrich Panzer:
haben. Wir besitzen also auch diese Kapitel nicht in der endgül-
tigen Form, die der Dichter ihnen zu geben wünschte.
Der Inhalt der Blätter ist in Kürze dieser. Siegfried von
Rodenstein schickt seiner Mutter Jucunda, der er schon lange keine
Kundschaft mehr gegeben, nach dem Edelhause von Fränkisch
Culmbach die Aufzeichnung der leidvollen Erlebnisse, die ihm in
den letzten Jahren beschert waren. Er schreibt sie nieder in dem
festen Hause Gampalto, das er als Gast seines venezianischen
Freundes Messer Gian Maria Verdizotti bewohnt.
Der Schreiber des „Gedenkbuches“ deutet nur an, wie er als
unbärtiger Student den Wittenberger Hörsälen den Rücken ge-
kehrt, um im Gefolge des Feldobersten Sebastian Schärtlin von
Burtenbach den Schmalkaldischen Krieg mitzumachen, wie er nach
seinem unglücklichen Ausgang in Frankreich Dienste genommen,
1552 unter Moritz von Sachsen wieder ein Fähnlein gegen den
Kaiser geführt, nach des Herzogs Tode abermals gen Frankreich
entwichen und schließlich da bleiben müssen, weil man vergessen
hatte, seinen Namen in den kaiserlichen Amnestiebrief aufzu-
nehmen, den Schärtlin für sich und seine Leute beim Kaiser erwirkt.
So lag er — und hier beginnt die ausgeführte Erzählung —
zu Ende- des Jahres 1553 mit seinem Kriegsgesellen, dem Tiroler
Hans Lautenschlager, der auch den einstigen Bergmannsberuf mit
dem Soldatenstande vertauscht, und seinem Reiterjungen, Klein
Heinzlein aus Reichenbach im Odenwald, in einer Herberge in Lyon.
Hier lernt er einst Herrn Gottfried Veraglio kennen, Prediger der
Waldensergemeinde in dem piemontesischen Alpentale von An-
grogna, und befreundet sich rasch mit dem Manne, dessen reli-
giöse Überzeugungen er den eigenen nächst verwandt findet. Mit
seinen Genossen entführt er die Nichte des Pfarrherrn aus einem
Kloster, dahin man sie gewaltsam gebracht, um sie im katholischen
Glauben zu erziehen. Er reitet mit der Befreiten und ihrem Oheim
ins Angrognatal und findet solchen Gefallen am reinen und stillen
Leben der Gemeinde und der weltfernen Stille des Hochtales, daß
er dort zu bleiben beschließt. Er wird in die Gemeinde aufgenom-
men und baut sich ein Haus. Am selben Sonntagmorgen aber,
da er das Haus mit den Glaubensbrüdern für den Einzug zu weihen
geschäftig ist, brechen die Truppen der Inquisitionsbehörde von
Turin auf steilen Bergpfaden ins Tal. Die Gemeinde stellt sich
zum Kampfe und unterliegt. Der Pfarrer wird gefangen, seine
Nichte getötet; das neue Haus geht in Flammen auf. Der Roden-
Friedrich Panzer:
haben. Wir besitzen also auch diese Kapitel nicht in der endgül-
tigen Form, die der Dichter ihnen zu geben wünschte.
Der Inhalt der Blätter ist in Kürze dieser. Siegfried von
Rodenstein schickt seiner Mutter Jucunda, der er schon lange keine
Kundschaft mehr gegeben, nach dem Edelhause von Fränkisch
Culmbach die Aufzeichnung der leidvollen Erlebnisse, die ihm in
den letzten Jahren beschert waren. Er schreibt sie nieder in dem
festen Hause Gampalto, das er als Gast seines venezianischen
Freundes Messer Gian Maria Verdizotti bewohnt.
Der Schreiber des „Gedenkbuches“ deutet nur an, wie er als
unbärtiger Student den Wittenberger Hörsälen den Rücken ge-
kehrt, um im Gefolge des Feldobersten Sebastian Schärtlin von
Burtenbach den Schmalkaldischen Krieg mitzumachen, wie er nach
seinem unglücklichen Ausgang in Frankreich Dienste genommen,
1552 unter Moritz von Sachsen wieder ein Fähnlein gegen den
Kaiser geführt, nach des Herzogs Tode abermals gen Frankreich
entwichen und schließlich da bleiben müssen, weil man vergessen
hatte, seinen Namen in den kaiserlichen Amnestiebrief aufzu-
nehmen, den Schärtlin für sich und seine Leute beim Kaiser erwirkt.
So lag er — und hier beginnt die ausgeführte Erzählung —
zu Ende- des Jahres 1553 mit seinem Kriegsgesellen, dem Tiroler
Hans Lautenschlager, der auch den einstigen Bergmannsberuf mit
dem Soldatenstande vertauscht, und seinem Reiterjungen, Klein
Heinzlein aus Reichenbach im Odenwald, in einer Herberge in Lyon.
Hier lernt er einst Herrn Gottfried Veraglio kennen, Prediger der
Waldensergemeinde in dem piemontesischen Alpentale von An-
grogna, und befreundet sich rasch mit dem Manne, dessen reli-
giöse Überzeugungen er den eigenen nächst verwandt findet. Mit
seinen Genossen entführt er die Nichte des Pfarrherrn aus einem
Kloster, dahin man sie gewaltsam gebracht, um sie im katholischen
Glauben zu erziehen. Er reitet mit der Befreiten und ihrem Oheim
ins Angrognatal und findet solchen Gefallen am reinen und stillen
Leben der Gemeinde und der weltfernen Stille des Hochtales, daß
er dort zu bleiben beschließt. Er wird in die Gemeinde aufgenom-
men und baut sich ein Haus. Am selben Sonntagmorgen aber,
da er das Haus mit den Glaubensbrüdern für den Einzug zu weihen
geschäftig ist, brechen die Truppen der Inquisitionsbehörde von
Turin auf steilen Bergpfaden ins Tal. Die Gemeinde stellt sich
zum Kampfe und unterliegt. Der Pfarrer wird gefangen, seine
Nichte getötet; das neue Haus geht in Flammen auf. Der Roden-