54 Friedrich Panzer: Scheffels Romanentwurf „Irene von Spilimberg“
Aber freilich nicht seelisches Leid allein war es, was auf dem
Dichter lastete. Feuerbach hatte scharf gesehen, als er nach dem
monatelangen Zusammensein mit dem Dichter der Mutter schrieb1:
,,Es war mit Scheffel eigen; wir sind und bleiben Freunde und
haben gegeneinander eine gewisse Achtung und Haltung beob-
achtet, die unsere Freundschaft dauernd macht, und doch tut mir
jetzt die Einsamkeit wohl . . Ich wage kein Urteil abzugeben über
Scheffel; er kam mir innerlich trotz der Frische in etwas krank-
haft vor. Man sah ihm ordentlich den Kummer an, mit dem er
sein Wirken und meines verglich . . Er wartete in Deutschland
auf Stimmung, dann dachte er, Venedig sei der Ort, in Venedig —
Toblino und von da triebs ihn nach Meran. Ich verstehe diese Art
sehr gut, aber sie geht gegen meine Natur . Bald darauf brach
die Krankheit mit wütenden Anfällen hervor, die Scheffels wei-
teres Schaffen beeinträchtigten und endlich ganz zerstörten. Alles
was von ihm weiter noch hervortrat, waren Bruchstücke eines
größer, ganzer Gewollten, die nur die Verzweiflung am Vollenden
der Öffentlichkeit preisgegeben hatte. Wohl durfte Scheffel noch
äußere Ehren einheimsen, wie sie selten einem Dichter bei Leb-
zeiten gegönnt sind. Aber hinter dem Vorhang rollte in peinvoll
zwecklosem Mühen eine Tragödie ab, deren ergreifende Zeugnisse
der Nachlaß bewahrt. Ein Stück davon hatte diese Abhandlung
auszubreiten.
1 Brief aus Venedig vom 1. Sept. 1855 bei J. Allgeyer a. a. O. 1. 286.
Aber freilich nicht seelisches Leid allein war es, was auf dem
Dichter lastete. Feuerbach hatte scharf gesehen, als er nach dem
monatelangen Zusammensein mit dem Dichter der Mutter schrieb1:
,,Es war mit Scheffel eigen; wir sind und bleiben Freunde und
haben gegeneinander eine gewisse Achtung und Haltung beob-
achtet, die unsere Freundschaft dauernd macht, und doch tut mir
jetzt die Einsamkeit wohl . . Ich wage kein Urteil abzugeben über
Scheffel; er kam mir innerlich trotz der Frische in etwas krank-
haft vor. Man sah ihm ordentlich den Kummer an, mit dem er
sein Wirken und meines verglich . . Er wartete in Deutschland
auf Stimmung, dann dachte er, Venedig sei der Ort, in Venedig —
Toblino und von da triebs ihn nach Meran. Ich verstehe diese Art
sehr gut, aber sie geht gegen meine Natur . Bald darauf brach
die Krankheit mit wütenden Anfällen hervor, die Scheffels wei-
teres Schaffen beeinträchtigten und endlich ganz zerstörten. Alles
was von ihm weiter noch hervortrat, waren Bruchstücke eines
größer, ganzer Gewollten, die nur die Verzweiflung am Vollenden
der Öffentlichkeit preisgegeben hatte. Wohl durfte Scheffel noch
äußere Ehren einheimsen, wie sie selten einem Dichter bei Leb-
zeiten gegönnt sind. Aber hinter dem Vorhang rollte in peinvoll
zwecklosem Mühen eine Tragödie ab, deren ergreifende Zeugnisse
der Nachlaß bewahrt. Ein Stück davon hatte diese Abhandlung
auszubreiten.
1 Brief aus Venedig vom 1. Sept. 1855 bei J. Allgeyer a. a. O. 1. 286.