Metadaten

Weinreich, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 7. Abhandlung): Fabel, Aretalogie, Novelle: Beiträge zu Phädrus, Petron, Martial und Apuleius — Heidelberg, 1931

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.40158#0026
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
26

Otto Weinreich:

lung.1 Unberücksichtigt blieb, wenn ich nichts übersehen habe2, all-
gemein eine dritte Novelle, die an die Hauptzüge der Handlung bei
Apuleius \TII noch näher herankommt. Denn in der Kammanovelle
hören wir nichts davon, daß Sinatos und Sinorix schon vorher
Rivalen waren. Die stärkere Entsprechung mit dem gleich zu
nennenden Texte wird deutlich, wenn wdr für die Charitehandlung
folgendes berücksichtigen: es waren zwei Freier, von denen der
ärmere, verwandte bevorzugt war. Trotz der Heirat bleibt Thrasyll
(angeblich) Freund, dann kommt der Anschlag und Tod bzwr. Selbst-
mord aller drei. Damit vergleiche man nun die erste von Plutarchs
ερωτικαι διηγήσεις.
Um Aristokleia werben Kallisthenes, ein armer Verwandter,
und der reiche Straton. Das Mädchen wählt Kallisthenes, Straton
zieht sich gekränkt zurück. Nach zwei Tagen bietet er seine Freund-
schaft wieder an und wird zur Hochzeit eingeladen. Während die
Braut zur Quelle geht, um dem Brauch gemäß zu opfern, brechen
Stratons Genossen aus dem Hinterhalt vor, und er sucht sich der
Braut zu bemächtigen. Kallisthenes und die Seinen wehren sich;
im Getümmel kommt' Aristokleia um, Straton begeht über ihrer
Leiche Selbstmord, ebenso Kallisthenes (oder er verließ, nach anderer
Version, das Land und blieb verschwunden).
Selbst diese Störung der Hochzeit durch eine feindliche Schar
und der Tod des Bräutigams hat eine gewisse Analogie in Charites
Erzählung IV, 26f.: sie, die aus dem Hochzeitshaus von Räubern
weggeschleppt wrar, träumt nun, ihr Tlepolemos werde, nachdem
er die Nachbarn zum Widerstand geholt, von den Räubern getötet.
Der Typus solcher Novellen muß verbreitet gewesen sein, hatte
auch eine Grundlage in wirklichen Vorkommnissen, wrenn wir dem
Sophisten Polemon, dem Zeitgenossen des Apuleius, glauben dürfen,
ln seiner nur arabisch erhaltenen Physiognomik3 c. 60 berichtet er
zwei Fälle, aus Samos und Smyrna, bei denen er dabei war und

1 Die Ansicht von E. Maass, a. a. 0. (oben S. 19, A. 1), Apuleius habe als einheit-
liche Handlung IV, 23—26, VII, 1 —12, VIII, 1—4, frei erfunden nach dem Vorbild
der euripideischen Protesilaosfabel, Lukian habe die bei Apuleius vorliegende
Version verschmäht und deshalb die andere Todesart angegeben, ist von Bürger
a. a. 0. 45ff. widerlegt. Sie bricht schon dadurch zusammen, daß Benützung des
Apuleius durch Lukian unhaltbar ist.
2 Die Arbeiten von S. Hammer in Charisteria Morawski 88 ff. und Eos 28, 51 ff.
sind mir nicht zugänglich.
3 Script. Physiogn. ed. Foerster I, p. 286 ff.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften