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Otto Weinreich:
scheinlich gemacht zu haben, an sich weit hinauf. Nicht erst der
Kynismus oder die Sophistik brauchen über diese Seiten des Ge-
schlechtslebens nachgedacht zu haben, auch die Ionier mögen schon
solche Antworten in αΐνος-Form gegeben haben. Die unmittelbare
Vorlage des Phädrus kann ein hellenistisches, reizvoll geprägtes
Stück Kleinliteratur mit trefflicher Erzählungsgabe gewesen sein.
Diese schimmert in der Schilderung des nektartrunkenen Prometheus
selbst bei dem dürftigen Römer noch durch.
I). Phädrus app. 6: Pie delphischen Sprüche.
In der app. stehen zwei merkwürdige „Fabeln“ hintereinander
— „zwei religiöse Schilderungen“ sagt Wienert S. 41. — In no. 5
eine εκφρασις der Unterweltsbüßer, die Thiele, Plermes 41, 1906,
562ff. behandelte, in no. 6 die monitus des delphischen Apollon.1
Diels, der in Dittenberger-Hillers Syll. 3, III, no. 1268 die inschrift-
lich aus Miletopolis erhaltenen παραγγέλματα kommentiert, erwähnt
die Fabel, geht aber auf ihren Spruchbestand nicht ein. Die Ein-
leitung mit ihrer in knappem Gebetsstil gegebenen Anrufung des
Gottes, mit der wesentlich nach Virgil geschilderten numinosen
Erschütterung des Heiligtums und mit dem Enthusiasmos der Pythia
lasse ich ebenso wie die dürftige Pointe des Schlusses beiseite und
kommentiere nur die Praecepta auf Grund der Parallelüberlieferung.2
Dabei habe ich, wie Diels, nicht sämtliche Siebenweisenspruchsamm-
lungen herangezogen, nur die wichtigsten. Die Abkürzungen bedeuten:
S = Σωσιάδου . . . ύποθήκαι, Stob. III, 1, 173 (III, p. 125ff.
Hense).
P = Gnomolog. Parisiense (Boissonade, Anecd. I, 141 ff.).
L = Gnomolog. Laurentianum(Schultz, Philol. 24, 1866, 215f.).
St = Hermeneumata graecolat. Stephani (Corp. Glossar, ed.
Goetz III, 386 [286 bei Diels ist Druckfehler] b 18ff.).
Die griechische Fassung hier ist aus der lateinischen rück-
übersetzt, ich habe sie nur in einem Fall notiert.
1 Zu dem oben S. 41 besprochenen Gesichtspunkt von Gedichtpaaren bei
Phädrus hätten wir hier ein weiteres Beispiel, und noch eines in app. 13 und 14,
zwei „Novellen“. Aber da diese Stücke alle in der perottinischen Appendix stehen,
haben wir keine Sicherheit, ob sie auch bei Phädrus so pendantmähig an-
geordnet waren.
2 E. G. Wilkins, The Delphic Maxims in Literature (Chicago 1929) ist mir
nicht zugänglich.
Otto Weinreich:
scheinlich gemacht zu haben, an sich weit hinauf. Nicht erst der
Kynismus oder die Sophistik brauchen über diese Seiten des Ge-
schlechtslebens nachgedacht zu haben, auch die Ionier mögen schon
solche Antworten in αΐνος-Form gegeben haben. Die unmittelbare
Vorlage des Phädrus kann ein hellenistisches, reizvoll geprägtes
Stück Kleinliteratur mit trefflicher Erzählungsgabe gewesen sein.
Diese schimmert in der Schilderung des nektartrunkenen Prometheus
selbst bei dem dürftigen Römer noch durch.
I). Phädrus app. 6: Pie delphischen Sprüche.
In der app. stehen zwei merkwürdige „Fabeln“ hintereinander
— „zwei religiöse Schilderungen“ sagt Wienert S. 41. — In no. 5
eine εκφρασις der Unterweltsbüßer, die Thiele, Plermes 41, 1906,
562ff. behandelte, in no. 6 die monitus des delphischen Apollon.1
Diels, der in Dittenberger-Hillers Syll. 3, III, no. 1268 die inschrift-
lich aus Miletopolis erhaltenen παραγγέλματα kommentiert, erwähnt
die Fabel, geht aber auf ihren Spruchbestand nicht ein. Die Ein-
leitung mit ihrer in knappem Gebetsstil gegebenen Anrufung des
Gottes, mit der wesentlich nach Virgil geschilderten numinosen
Erschütterung des Heiligtums und mit dem Enthusiasmos der Pythia
lasse ich ebenso wie die dürftige Pointe des Schlusses beiseite und
kommentiere nur die Praecepta auf Grund der Parallelüberlieferung.2
Dabei habe ich, wie Diels, nicht sämtliche Siebenweisenspruchsamm-
lungen herangezogen, nur die wichtigsten. Die Abkürzungen bedeuten:
S = Σωσιάδου . . . ύποθήκαι, Stob. III, 1, 173 (III, p. 125ff.
Hense).
P = Gnomolog. Parisiense (Boissonade, Anecd. I, 141 ff.).
L = Gnomolog. Laurentianum(Schultz, Philol. 24, 1866, 215f.).
St = Hermeneumata graecolat. Stephani (Corp. Glossar, ed.
Goetz III, 386 [286 bei Diels ist Druckfehler] b 18ff.).
Die griechische Fassung hier ist aus der lateinischen rück-
übersetzt, ich habe sie nur in einem Fall notiert.
1 Zu dem oben S. 41 besprochenen Gesichtspunkt von Gedichtpaaren bei
Phädrus hätten wir hier ein weiteres Beispiel, und noch eines in app. 13 und 14,
zwei „Novellen“. Aber da diese Stücke alle in der perottinischen Appendix stehen,
haben wir keine Sicherheit, ob sie auch bei Phädrus so pendantmähig an-
geordnet waren.
2 E. G. Wilkins, The Delphic Maxims in Literature (Chicago 1929) ist mir
nicht zugänglich.