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Weinreich, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 7. Abhandlung): Fabel, Aretalogie, Novelle: Beiträge zu Phädrus, Petron, Martial und Apuleius — Heidelberg, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.40158#0072
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72

Otto Weinreich:

Unbeteiligten, die nautae. Tryphäna bat Grund, sich getroffen zu fühlen, sie
verstand die Spitze in muliebrem levitatem (110, 6), also die „ Moral“ von der
Geschichte. Lichas hat nichts zu lachen; in der von ihm vorgeschlagenen
grimmigen έπανόρθυυσις des Ausgangs (in der Aly a. a. 0. 21 If. italischen
Humor findet) kommt jene morose Moral zur Geltung, die für Leute wie Romulus
das Argumentum für ihr Schulbuch empfahl. Ph. erzählt gewiß ebenso um
zu delectare wie um zu belehren. Die Rahmungstechnik Petrons entspricht
genau der in 63 und 64, wo auch die Wirkung der Erzählungen auf die Zu-
hörer berücksichtigt wird.

C. Schluß.
Die Analyse der verschiedenen Versionen hat, denke ich, folgende
in der Einleitung schon angedeuteten Gesichtpunkte bestätigt (von
Äsop kann jetzt abgesehen werden): Zugrund liegt eine hellenistische
Novelle von der Art der Milesiaka, wohl wirklich eine Novelle aus
Aristides, und zwar für Petron vermittelt durch eine lateinische
Wiedergabe (vgl. oben S. 55), d. h. die Übersetzung des Sisenna.
Petron hat sie materiell im wesentlichen unverändert übernommen,
denn alle Handlungselemente und Personen stimmen zum Charakter
dieser Novellistik aufs beste. Die Motivierung ist überall folgerichtig
und psychologisch treffend: da bedurfte es keiner bessernden Hand
Petrons. Ein fabula docet steckt in der Geschichte, auch wenn es
in der Urform — einer Sammlung von Einzelnovellen eher als einer
Rahmenerzählung1— nicht unterstrichen gewesen sein sollte. Petron,
der sie in einen Rahmen einordnet, benutzt die Möglichkeit, diese
„Moral“ vom Sprecher und von den Zuhörern der Rahmenteile
hervorheben zu lassen, beziehungsweise aus der verschiedenartigen
Aufnahme durch die Hörer teils das delectare teils das clocere all
solcher Geschichten zu verdeutlichen. Weil sie beides leisten, ver-
steht man, wie solche Novellen sowohl in trocken moralisierende
Exemplaliteratur wie in Fabelbücher übergeben konnten, die auf
gefällige Erzählung noch Wert legen. Phädrus geht nicht auf Petron
(noch gar dieser auf Phädrus) zurück, sondern schöpft wie Romulus
aus einer Mittelquelle, die den Stoff schon der novellistischen Breite,
der typisch novellistischen Details und seines lockenden Reizes ent-
kleidet hatte. Sie stand in einigen Punkten der Urform noch näher
als die Fassung des Phädrus, wie sich aus dem teilweisen Consensus
von Romulus und Petron gegen Phädrus ergab (parentes, Herum

1 Mit W. Schmid u. a. bin ich der Ansicht, daß für Aristides der Charakter
einer großen Rahmenerzählung nicht sicher erweisbar ist.
 
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