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Weinreich, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 7. Abhandlung): Fabel, Aretalogie, Novelle: Beiträge zu Phädrus, Petron, Martial und Apuleius — Heidelberg, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.40158#0075
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Fabel, Aretalogie, Novelle.

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Analyse herausgearbeiteten Unterschieden zwischen Petr., Ph., Rom. zu klassi-
fizieren, dann weiter nach dem Vorhandensein oder Fehlen einer Fortsetzung
(der Gekreuzigte hatte irgendeinen Körperfehler, der dann am toten Gemahl auch her-
gestellt werden muß: weil jener ein Kahlkopf war, reißt die Matrone ihrem Manne
die Haare aus, oder weil ein Zahn fehlte, wird er ausgeschlagen u. dgl.) und eines
neuen Schlusses (der Soldat heiratet die Matrone oder er verläßt sie, angewidert
von jenen Operationen, schlägt sie gelegentlich auch tot). — Die jüdischen
Fassungen sind am vollständigsten gebucht bei M. J. bin Gorion, Der Born Judas
III 1918, S. 315, und M. Gaster, The exemples of the Rabbis, 1924, S. 268f. zu
no. 442. Für die französischen vgl. die große Ausgabe der Oeuvres de Lafontaine
ed. Regnier Bd. VI 1890, S. 63 ff. Sonst geben die reichhaltigsten bibliographischen
Nachweise jetzt V. Chauvin, Bibliogr. des Ouvrages Arabes VIII 1904, 210—213;
Bolte-Polivka, Anm. zu Grimms KHM I 363 f., vor allem jetzt J.Bolte zu Johannes
Pauli, Schimpf und Ernst no. 752 (Bd. II 422). Einiges bei Lucas, Sokrates 7,
1919, 361 und 0. Rank, Internat. Zeitschr. f. Psychoanalyse 1, 1913, 50ff. (=O.Rank,
Psychoanalytische Beiträge zur Mythenforschung 1919, 59ff.). Diese Arbeit ist
sonst wertlos. Von den ältesten Fassungen kennt R. nur Petron, weder Ph. noch
Rom. Sie sind ja auch ganz unergiebig für seine spezifische Ausdeutung (vgl.
oben S. 70). Daß er sich den tiefsten Sinn der Geschichte aus einigen ganz
späten Nebenmotiven verraten läßt, zeugt nur von der unbekümmerten Art dieser
Mythen- und Literaturforschung, die, von literarhistorischer Methode unbeschwert,
sich in hemmungslosen Konstruktionen ergeht. — Ein hübsches Gegenstück zur
Matrone bietet ein „Märchen“ aus Java. Im Gegensatz zu unserem Typus
ist es die Frau, die stirbt, und der Mann weilt Tag und Nacht am Grab, 40 Tage
lang trauernd und fastend. Nabi Isa (der Prophet Jesus) erweckt die Frau, und
da bittet der Gatte sie, ihn etwas schlafen zu lassen und derweilen bei ihm zu
wachen. Während er schläft, kommt ein Prinz daher, und gleich will sie mit
dem Prinzen den treuen Mann verlassen, der sich ja eine andre Frau suchen
könne. Der Schluß bringt die gebührende Strafe: Nabi Isa kehrt zurück und läßt
die Frau wieder in Todesschlaf versinken (P. Hambruch, Malaiische Märchen no. 24,
aus P. J. Bezemer, Volksdichtung aus Indonesien, Flaag 1904, S. 83). Hambruch
gibt keine Parallelen an; manches gemahnt mehr an die chinesische Geschichte
als an den antiken Typus.
 
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