Eugen Täubler:
fallen. Nur darf man nicht das zu Beweisende als gegeben betrach-
ten, wie Weinstock es mit dem Synoikismus tat, nach dem er
alles andere beurteilte, mit Lydus als Träger der echten Überliefe-
rung beginnend. Diese Voraussetzung hat ihn so beherrscht, daß
er nicht einmal die ältere römische Überlieferung zu Wort kommen
ließ, die als Zusammensiedler entweder nur pastores1 = omnes
qui tum eos agros ubi hodie est haec urbs incolebant (Cicero de re
p. II 4) kennt, oder pastores et convenae (Cicero, de orat. I 37), die
letzteren aber nicht in Lydus Art als zum Zweck der Gründung
zusammengerufene friedliche Synoikisten (wie schon die Notwendig-
keit des Frauenraubs zeigt), sondern als Flüchtlinge, die nach der
Gründung der Stadt in das Asyl gekommen waren2. Erst in der
jüngeren Tradition begann sich die Tendenz auszuwirken, den
Hirten und Flüchtlingen nicht erst seit Albas Fall, sondern schon
vor der Gründung der Stadt Albaner beizumengen3. Aber selbst
in dieser erweiterten Tradition ist das Eigentümliche des Synoikis-
mus weder unmittelbar zum Ausdruck gekommen, noch erlauben
nach den geschilderten Vorgängen die Ausdrücke pastores et con-
venas congregasse (Cicero, de orat. I 37), pastores inter quos ado-
leverat convocavit (Lactantius, divin. instit. II 6, 13) und pastoribus
1 Diese allein noch Cicero, de div. I 47, 105; 48, 107. Cassius Hemina
Irg. 11 Peter. Varro, rer. rust. II 1, 9. Plinius, nat. hist. XVI 75. Pomponius
Mela II 60. Justin XXVIII 2, 8; XXXVIII 6, 7; XL 3, 2. Plutarch, de fort.
Roman. 9. Aurelius Victor, de vir. ill. 1. Probus zu Vergil, Georg. III 1. Lac-
tantius, divin. instit. I 15, 29; II 6, 13.
2 Cato bei Gellius, noctes Atticae XVIII 12, 7: eodem convenae com-
plures ex agro accessitavere, eo res eorum auxit. Daß dies von den in das
Exil Geflüchteten zu verstehen ist, zeigen Liv. I 8, 6: eo ex finitimis populis
turba oninis sine discrimine, liber an servus esset, avida novarum rerum
perfugit. Dion. Hai. II 15, 3: t/jv te 'Pcogoucov Süvocgiv aü^aai ßouTajüsL.
Eutrop 12,1: condita civitate . . . multitudinem finitiniorum in civitatem
recepit. So ist auch Cicero a. a. O. in der Aufeinanderfolge pastores, convenae
und Sabinorum coniugia zu verstehen, und Liv. II 1, 4: pastoruni convena-
rumque plebs, transfuga ex suis populis.
3 Liv. I. 6, 3: multitudo Albanorum Latinorumque, ad id pastores
quoque accesserant. Verstärkter Dion. Hai. I 85, 2, der von einer Abschich-
tung und Sezession politisch unzufriedener Albaner spricht; konstruiert, da
eine Kolonie nicht angenommen werden konnte, nach der Art von Serv.
Aen. I 12: coloniae sunt, quae ex consensu publico, non ex secessione sunl
conditae). Es ist immer erkannt worden, daß diese jüngere Tendenz, die an
den Anfang rückt, was erst nach Albas Fall eingetreten ist, um Rom von An-
fang an eine patrizische Bevölkerung zu geben, in schroffem Gegensatz zu
der Hirten-Tradition steht, die noch die Erzählung vom Jungfrauenraub ganz
beherrscht.
fallen. Nur darf man nicht das zu Beweisende als gegeben betrach-
ten, wie Weinstock es mit dem Synoikismus tat, nach dem er
alles andere beurteilte, mit Lydus als Träger der echten Überliefe-
rung beginnend. Diese Voraussetzung hat ihn so beherrscht, daß
er nicht einmal die ältere römische Überlieferung zu Wort kommen
ließ, die als Zusammensiedler entweder nur pastores1 = omnes
qui tum eos agros ubi hodie est haec urbs incolebant (Cicero de re
p. II 4) kennt, oder pastores et convenae (Cicero, de orat. I 37), die
letzteren aber nicht in Lydus Art als zum Zweck der Gründung
zusammengerufene friedliche Synoikisten (wie schon die Notwendig-
keit des Frauenraubs zeigt), sondern als Flüchtlinge, die nach der
Gründung der Stadt in das Asyl gekommen waren2. Erst in der
jüngeren Tradition begann sich die Tendenz auszuwirken, den
Hirten und Flüchtlingen nicht erst seit Albas Fall, sondern schon
vor der Gründung der Stadt Albaner beizumengen3. Aber selbst
in dieser erweiterten Tradition ist das Eigentümliche des Synoikis-
mus weder unmittelbar zum Ausdruck gekommen, noch erlauben
nach den geschilderten Vorgängen die Ausdrücke pastores et con-
venas congregasse (Cicero, de orat. I 37), pastores inter quos ado-
leverat convocavit (Lactantius, divin. instit. II 6, 13) und pastoribus
1 Diese allein noch Cicero, de div. I 47, 105; 48, 107. Cassius Hemina
Irg. 11 Peter. Varro, rer. rust. II 1, 9. Plinius, nat. hist. XVI 75. Pomponius
Mela II 60. Justin XXVIII 2, 8; XXXVIII 6, 7; XL 3, 2. Plutarch, de fort.
Roman. 9. Aurelius Victor, de vir. ill. 1. Probus zu Vergil, Georg. III 1. Lac-
tantius, divin. instit. I 15, 29; II 6, 13.
2 Cato bei Gellius, noctes Atticae XVIII 12, 7: eodem convenae com-
plures ex agro accessitavere, eo res eorum auxit. Daß dies von den in das
Exil Geflüchteten zu verstehen ist, zeigen Liv. I 8, 6: eo ex finitimis populis
turba oninis sine discrimine, liber an servus esset, avida novarum rerum
perfugit. Dion. Hai. II 15, 3: t/jv te 'Pcogoucov Süvocgiv aü^aai ßouTajüsL.
Eutrop 12,1: condita civitate . . . multitudinem finitiniorum in civitatem
recepit. So ist auch Cicero a. a. O. in der Aufeinanderfolge pastores, convenae
und Sabinorum coniugia zu verstehen, und Liv. II 1, 4: pastoruni convena-
rumque plebs, transfuga ex suis populis.
3 Liv. I. 6, 3: multitudo Albanorum Latinorumque, ad id pastores
quoque accesserant. Verstärkter Dion. Hai. I 85, 2, der von einer Abschich-
tung und Sezession politisch unzufriedener Albaner spricht; konstruiert, da
eine Kolonie nicht angenommen werden konnte, nach der Art von Serv.
Aen. I 12: coloniae sunt, quae ex consensu publico, non ex secessione sunl
conditae). Es ist immer erkannt worden, daß diese jüngere Tendenz, die an
den Anfang rückt, was erst nach Albas Fall eingetreten ist, um Rom von An-
fang an eine patrizische Bevölkerung zu geben, in schroffem Gegensatz zu
der Hirten-Tradition steht, die noch die Erzählung vom Jungfrauenraub ganz
beherrscht.