Metadaten

Brinkmann, Carl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1931/32, 3. Abhandlung): Der Nationalismus und die deutschen Universitäten im Zeitalter der deutschen Erhebung — Heidelberg, 1932

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.40161#0005
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Goethes Annalen verzeichnen (etwa 1823) zum Jahr 1817:
„Ein Symbol der Souveränetät ward uns Weimaranern durch die
Feierlichkeit, als der Großherzog vom Thron den Fürsten von Thurn
und Taxis in seinem Abgeordneten mit dem Postregal belieb, wobei
wir sämtlichen Diener in geziemendem Schmuck nach Ranges-
gebühr erschienen und also auch unsererseits die Oberherrschaft
des Fürsten anerkannten, indessen im Lauf desselben Jahrs eine
allgemeine Feier deutscher Studierender am 18. Juni zu Jena und
noch bedeutender am 18. Oktober auf der Wartburg eine ahnungs-
volle Gegenwirkung verkündigten. Das Reformationsjubiläum ver-
schwand vor diesen frischen jüngeren Bemühungen. Vor drei-
hundert Jahren hatten tüchtige Männer Großes unternommen;
nun schienen ihre Grundsätze veraltet, und man mochte sich ganz
anderes von den neuesten öffentlich-geheimen Bestrebungen er-
warten1.“
Goethischer Aitersstil und Goethische Altersweisheif haben
hier, geheimnisvoll wie immer, die soziale und die akademische
Stimmung des Jahrzehnts nach den Freiheitskriegen in einer Weise
wiedergegeben, der, wie mir scheint, die Erkenntnis der Nach-
lebenden und auch der Wissenschaft noch keineswegs nachgekom-
men ist. Freiheitskampf der deutschen Jugend gegen Reaktion und
Restauration, so lautet ungefähr die Formel, auf die die volkstüm-
liche Ansicht jene Stimmung zu bringen und die sie dann zu unserer
Gegenwart in einen scheinbar einleuchtenden, in Wirklichkeit natür-
lich schwer erklärbaren Gegensatz zu bringen pflegt. Die wissen-
schaftliche Erforschung der gesellschaftlichen und geistigen Bedin-
gungen der damaligen Lage zeigt, glaube ich, daß die Verhältnisse
ungleich verwickelter waren.
1 H. Haupt (Quellen und Darst. z. Gesell, der Burschenschaft 8[1925],
9 Anm. 1) nennt die Stelle ,,in ihrem gesucht höfischen Stile höchst peinlich
wirkend“. Derber zu Eckermann, 6. April 1829: „Wie Guizot von den Ein-
flüssen redet, welche die Gallier in früher Zeit von fremden Nationen emp-
fangen, ist mir besonders merkwürdig gewesen was er von den Deutschen
sagt. 'Die Germanen5, sagt er, brachten uns die Idee der persönlichen Freiheit,
welche diesem Volke vor allem eigen war.5 Ist das nicht sehr artig, und hat
er nicht vollkommen recht, und ist nicht diese Idee noch bis auf den heutigen
Tag unter uns wirksam? Die Reformation kam aus dieser Quelle wie die
Burschenverschwörung auf der Wartburg, Gescheites wie Dummes.“
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften