16
Carl Brixkmann:
Zutiefst der grundsätzliche Rationalismus seiner Denkform, der
ihn bereits vom Sturm und Drang seiner Jugendfreundschaft mit
Lavater und Jacobi löste25 und eben damals zu der scharfen
Auseinandersetzung mit Schillers Schriftleitung der ,,Horen“
über Wert und Dauer des „logischen“ und des „ästhetischen“
Schrifttums führte. Schiller versteigt sich darin zu dem scharfen
Satz26: „Hätten Sie die letztem [meine Schriften] mit der Aufmerk-
samkeit gelesen, welche von dem parteilosen Wahrheitsforscher zu
erwarten war, so würden Sie ohne meine Erinnerung wissen, daß
eine direkte Opposition gegen den Zeitcharakter den Geist der-
selben ausmacht, und daß jede andere Aufnahme, als die, welche
sie erfahren, einen sehr bedenklichen Beweis gegen die Wahrheit
ihres Inhaltes abgeben würde. Beinahe jede Zeile, die seit den
letzten Jahren aus meiner Feder geflossen ist, trägt dieses Gepräge,
und wenn ich gleich aus äußern Gründen, die ich mit noch mehr
Schriftstellern gemein habe, nicht gleichgültig sein kann, oh mich
ein großes oder kleines Publikum kauft, so habe ich mich wenig-
stens auf dem einzigen Wege darum beworben, der meiner Indi-
vidualität und meinem Charakter entspricht — nicht dadurch,
daß ich mir durch Anschmiegung an den Geist der Zeit das Publi-
kum zu gewinnen, sondern dadurch, daß ich es durch die lebhafte
und kühne Aufstellung meiner Vorstellungsart zu überraschen, an-
zuspannen und zu erschüttern suchte.“
Was meint Schiller namentlich mit der (zweifellos ungerech-
ten) Anspielung des Schlußsatzes, er, dessen Räuberlied schon da
mals zum ständigen Symbol studentischer Unabhängigkeitsbezeu-
gungen geworden war27? Ich vermute, außer dem Hervortreten
Fichtes als Reformator der Studentenschaft überhaupt vornehm-
lich seine Parteinahme für die Französische Revolution, gegen die
sich Schiller, ihr unbewußter Ehrenbürger28, soeben noch bei der
Hinrichtung Ludwigs XVI. aufs schärfste gewandt hatte; aus dem
Oßmannstädter Exil stammt ja der merkwürdige Briefentwurf an
einen Unbekannten, vielleicht Fichtes und Schillers gern ein-
25 Darüber jetzt Heinrich Maier in Sitzungsber. der Berliner Akademie
1930 S. XLVff.
26 Briefe ed. F. v. Jonas. 3. u. 4. Aug. 1795 4,- 228 = Fichtes Brief-
wechsel ed. Ii. Schulz 1, 494.
27 Fabricius 156.
28 Das Diplom von 1792 für ,,M. Gille“ erhielt er bekanntlich erst 1798
auf dem Umweg über den Hamburger Verleger Campe.
Carl Brixkmann:
Zutiefst der grundsätzliche Rationalismus seiner Denkform, der
ihn bereits vom Sturm und Drang seiner Jugendfreundschaft mit
Lavater und Jacobi löste25 und eben damals zu der scharfen
Auseinandersetzung mit Schillers Schriftleitung der ,,Horen“
über Wert und Dauer des „logischen“ und des „ästhetischen“
Schrifttums führte. Schiller versteigt sich darin zu dem scharfen
Satz26: „Hätten Sie die letztem [meine Schriften] mit der Aufmerk-
samkeit gelesen, welche von dem parteilosen Wahrheitsforscher zu
erwarten war, so würden Sie ohne meine Erinnerung wissen, daß
eine direkte Opposition gegen den Zeitcharakter den Geist der-
selben ausmacht, und daß jede andere Aufnahme, als die, welche
sie erfahren, einen sehr bedenklichen Beweis gegen die Wahrheit
ihres Inhaltes abgeben würde. Beinahe jede Zeile, die seit den
letzten Jahren aus meiner Feder geflossen ist, trägt dieses Gepräge,
und wenn ich gleich aus äußern Gründen, die ich mit noch mehr
Schriftstellern gemein habe, nicht gleichgültig sein kann, oh mich
ein großes oder kleines Publikum kauft, so habe ich mich wenig-
stens auf dem einzigen Wege darum beworben, der meiner Indi-
vidualität und meinem Charakter entspricht — nicht dadurch,
daß ich mir durch Anschmiegung an den Geist der Zeit das Publi-
kum zu gewinnen, sondern dadurch, daß ich es durch die lebhafte
und kühne Aufstellung meiner Vorstellungsart zu überraschen, an-
zuspannen und zu erschüttern suchte.“
Was meint Schiller namentlich mit der (zweifellos ungerech-
ten) Anspielung des Schlußsatzes, er, dessen Räuberlied schon da
mals zum ständigen Symbol studentischer Unabhängigkeitsbezeu-
gungen geworden war27? Ich vermute, außer dem Hervortreten
Fichtes als Reformator der Studentenschaft überhaupt vornehm-
lich seine Parteinahme für die Französische Revolution, gegen die
sich Schiller, ihr unbewußter Ehrenbürger28, soeben noch bei der
Hinrichtung Ludwigs XVI. aufs schärfste gewandt hatte; aus dem
Oßmannstädter Exil stammt ja der merkwürdige Briefentwurf an
einen Unbekannten, vielleicht Fichtes und Schillers gern ein-
25 Darüber jetzt Heinrich Maier in Sitzungsber. der Berliner Akademie
1930 S. XLVff.
26 Briefe ed. F. v. Jonas. 3. u. 4. Aug. 1795 4,- 228 = Fichtes Brief-
wechsel ed. Ii. Schulz 1, 494.
27 Fabricius 156.
28 Das Diplom von 1792 für ,,M. Gille“ erhielt er bekanntlich erst 1798
auf dem Umweg über den Hamburger Verleger Campe.