Der Nationalismus und die deutschen Universitäten.
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samen dänischen Freund Baggesen, in dem der Verfasser der „Bei-
träge zur Berichtigung der Urteile des Publikums über die Fran-
zösische Revolution“ sich durch Vermittlung des Direktorialdiplo-
maten Bacher um eine französische Pension und das französische
Bürgerrecht zur Vollendung seiner „Wissenschaftslehre“ in der
lateinischen „Universalsprache“ bewirbt29. Das Auffällige ist nicht
so sehr der Schritt selber in einer Zeit, da Preußens Basler Friedens-
schluß eine Reihe der zweideutigsten Rechtsbeziehungen bei wäh-
rendem Reichskriegszustand gegen Frankreich eröffnete; auch der
Rechtshistoriker K. F. Eichhorn hat 1803 französische Dienste
nehmen wollen30. Aber Fichte, nach seiner Entlassung durch Carl
August, „übergab sich“ in einem seiner (stets nach dem Revo-
lutionskalender datierten) Briefe an den Leiter des linksrheinischen
Studienwesens F. W. Jung vom 21. Floreal VII (179931) nochmals
feierlich „in die Hände der Republik“, die nach dem Rastatter
Gesandtenmord „schreckende Rache“ brauche: „Haben die Gewalt-
haber Frankreichs je im Ernste geglaubt, daß ihre Gegenpartei sich
durch Politik, Vernunft, Menschlichkeit werde bewegen lassen,
einige Rücksichten gegen sie zu beobachten, so werden sie doch
nun wohl ihres Irrtums inne werden. Dies ist ein Krieg der Prin-
zipien. Nur die furchtbarste Überlegenheit kann der Republik
Ruhe und Existenz verschaffen. Ich habe nur ein Mittel in der
Hand, für diesen Zweck mitzuarbeiten: Schriftstellerei. Viel-
leicht ist es, zumal nun, und durch das rechtliche Verfahren der
Republikaner unterstützt, wenigstens nicht widersprochen,
nicht unmöglich, den verblendeten Deutschen die Augen aufzu-
reißen.“ In der von Marianne Weber32 aufgezeigten inneren Fort-
bildung von Fichtes Staats- und Gesellschaftsanschauungen war
der im folgenden Spätjahr dem preußischen Minister Struensee
gewidmete „Geschlossene Handelsstaat“ dann vielleicht doch nur
ein scheinbarer Frontwechsel und in Wahrheit eine Vorwegnahme
Napoleonischer Kontinentalwirtschaftsgedanken33, wie Friedrich
List nachher teilweise eine Folge davon.
29 Briefwechsel ed. H. Schulz 1, 449ff. Bacher ist der 1798 durch den
Rastatter Gesandtenmord bekannt gewordene.
30 M. Lenz, Gesch. der Univ. Berlin 1, 387, Anm. 1.
31 Bei Schulz a. a. O. 2, 101.
32 Fichtes Sozialismus (Tüb. 19002).
33 Jedenfalls mehr dies als eine Spiegelung Baboeufs und der Konvents-
reg'ierung, wofür X. Leon, Fichte et son temps 2 (1924), 101 ff. kaum ,.les
plus serieuses presomptions“ beibringt.
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1931/32. 3. Abh.
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samen dänischen Freund Baggesen, in dem der Verfasser der „Bei-
träge zur Berichtigung der Urteile des Publikums über die Fran-
zösische Revolution“ sich durch Vermittlung des Direktorialdiplo-
maten Bacher um eine französische Pension und das französische
Bürgerrecht zur Vollendung seiner „Wissenschaftslehre“ in der
lateinischen „Universalsprache“ bewirbt29. Das Auffällige ist nicht
so sehr der Schritt selber in einer Zeit, da Preußens Basler Friedens-
schluß eine Reihe der zweideutigsten Rechtsbeziehungen bei wäh-
rendem Reichskriegszustand gegen Frankreich eröffnete; auch der
Rechtshistoriker K. F. Eichhorn hat 1803 französische Dienste
nehmen wollen30. Aber Fichte, nach seiner Entlassung durch Carl
August, „übergab sich“ in einem seiner (stets nach dem Revo-
lutionskalender datierten) Briefe an den Leiter des linksrheinischen
Studienwesens F. W. Jung vom 21. Floreal VII (179931) nochmals
feierlich „in die Hände der Republik“, die nach dem Rastatter
Gesandtenmord „schreckende Rache“ brauche: „Haben die Gewalt-
haber Frankreichs je im Ernste geglaubt, daß ihre Gegenpartei sich
durch Politik, Vernunft, Menschlichkeit werde bewegen lassen,
einige Rücksichten gegen sie zu beobachten, so werden sie doch
nun wohl ihres Irrtums inne werden. Dies ist ein Krieg der Prin-
zipien. Nur die furchtbarste Überlegenheit kann der Republik
Ruhe und Existenz verschaffen. Ich habe nur ein Mittel in der
Hand, für diesen Zweck mitzuarbeiten: Schriftstellerei. Viel-
leicht ist es, zumal nun, und durch das rechtliche Verfahren der
Republikaner unterstützt, wenigstens nicht widersprochen,
nicht unmöglich, den verblendeten Deutschen die Augen aufzu-
reißen.“ In der von Marianne Weber32 aufgezeigten inneren Fort-
bildung von Fichtes Staats- und Gesellschaftsanschauungen war
der im folgenden Spätjahr dem preußischen Minister Struensee
gewidmete „Geschlossene Handelsstaat“ dann vielleicht doch nur
ein scheinbarer Frontwechsel und in Wahrheit eine Vorwegnahme
Napoleonischer Kontinentalwirtschaftsgedanken33, wie Friedrich
List nachher teilweise eine Folge davon.
29 Briefwechsel ed. H. Schulz 1, 449ff. Bacher ist der 1798 durch den
Rastatter Gesandtenmord bekannt gewordene.
30 M. Lenz, Gesch. der Univ. Berlin 1, 387, Anm. 1.
31 Bei Schulz a. a. O. 2, 101.
32 Fichtes Sozialismus (Tüb. 19002).
33 Jedenfalls mehr dies als eine Spiegelung Baboeufs und der Konvents-
reg'ierung, wofür X. Leon, Fichte et son temps 2 (1924), 101 ff. kaum ,.les
plus serieuses presomptions“ beibringt.
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1931/32. 3. Abh.
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