18
Carl Brinkmann:
Schließlich darf als äußere Aktionsschicht Fichtes Verhältnis
zur Freimaurerei hier nicht übergangen werden. Die französische
Darstellung, die ihn neuerdings einseitig genug schlechthin als
Künder französischer Ideen in Anspruch genommen hat, widmet
diesem Verhältnis mit Recht ein eignes, recht brauchbares Kapitel34.
Sie unterläßt nur mitzuteilen, daß der Mann, der in seiner ersten
Berliner Zeit die Loge Royal York zum Pythagoräischen Träger
seiner Wissenschaftslehre zu machen suchte und sie erst nach dem
Mißerfolg enttäuscht verließ, bereits in seinen Studentenjahren Mit-
glied der Schwarzen Brüder gewesen war35. Aber es bezeichnet die
herrschende Begriffsverwirrung über deutsches Universitätsleben
an der vorletzten Jahrhundertwende, wenn Schuster unter Be-
rufung auf 1795 hinzufügt, Fichte sei „später ein entschiedener
Gegner des studentischen Ordenswesens“ geworden. „Orden“ war
eben, wie nicht genug betont werden kann, ein ganz allgemeiner
Sammelname der damaligen Studentenverbindungen. Und es gibt
doch zu denken: Fichte verscherzte 1795 (wie Polizo 1792) seine
Führerrolle bei den Studenten vor allem dadurch, daß er (wie sein
Sohn versichert, mit Unrecht) im Verdacht stand, der Regierung
die Namenlisten der Verbindungen in die Hand zu spielen, also
genau dessen, was das preußische Edikt gegen die geheimen Ver-
bindungen (§ 10) den drei anerkannten Berliner Großlogen zur
Rechtspflicht machte. Noch von dem gemeinsamen Badeaufenthalt
in Teplitz 1811 berichtet Varnhagen36: „Fichte hielt die Mau-
rerei ihrem Wesen nach sehr hoch und ließ das Ganze nicht ent-
gelten, daß ihn die Berliner Logen mit seinen Vorschlägen zur Er-
neuerung und Erhöhung ihrer Grundlagen schnöde abgewiesen
hatten. Er rühmte, daß die Maurerei für viele Menschen, denen
sonst keine allgemeine Bildung zugekommen wäre, eine Schule der
Menschheit geworden sei, und in der Zeit nach dem Siebenjährigen
Kriege hätten Hunderte von preußischen Offizieren ihre Erhellung
einzig aus der Loge geschöpft. Er deutete an, daß in der Geschichte
der geistigen Entwicklung neben dem exoterischen Zusammenhänge
der Wissenschaft — Hch habe es nie geleugnet’, sagte er, Maß ich
34 Leon a. a. 0. Iff.
35 Tyrtäus, Der geheime Bund der Schwarzen Brüder. (Mainz 1834) 14.
Danach Schuster a. a. O. 226. Die völlige Verwerfung bei F. Medicus,
Fichtes Leben2 (Lpz. 1922) S. 87f. Anm. verstehe ich nicht ganz; es handelt
sich doch um Fichtes Studenten-, nicht Professorenzeit.
36 Denkwürdigkeiten des eigenen Lebens 33 (Lpz. 1871), 212f.
Carl Brinkmann:
Schließlich darf als äußere Aktionsschicht Fichtes Verhältnis
zur Freimaurerei hier nicht übergangen werden. Die französische
Darstellung, die ihn neuerdings einseitig genug schlechthin als
Künder französischer Ideen in Anspruch genommen hat, widmet
diesem Verhältnis mit Recht ein eignes, recht brauchbares Kapitel34.
Sie unterläßt nur mitzuteilen, daß der Mann, der in seiner ersten
Berliner Zeit die Loge Royal York zum Pythagoräischen Träger
seiner Wissenschaftslehre zu machen suchte und sie erst nach dem
Mißerfolg enttäuscht verließ, bereits in seinen Studentenjahren Mit-
glied der Schwarzen Brüder gewesen war35. Aber es bezeichnet die
herrschende Begriffsverwirrung über deutsches Universitätsleben
an der vorletzten Jahrhundertwende, wenn Schuster unter Be-
rufung auf 1795 hinzufügt, Fichte sei „später ein entschiedener
Gegner des studentischen Ordenswesens“ geworden. „Orden“ war
eben, wie nicht genug betont werden kann, ein ganz allgemeiner
Sammelname der damaligen Studentenverbindungen. Und es gibt
doch zu denken: Fichte verscherzte 1795 (wie Polizo 1792) seine
Führerrolle bei den Studenten vor allem dadurch, daß er (wie sein
Sohn versichert, mit Unrecht) im Verdacht stand, der Regierung
die Namenlisten der Verbindungen in die Hand zu spielen, also
genau dessen, was das preußische Edikt gegen die geheimen Ver-
bindungen (§ 10) den drei anerkannten Berliner Großlogen zur
Rechtspflicht machte. Noch von dem gemeinsamen Badeaufenthalt
in Teplitz 1811 berichtet Varnhagen36: „Fichte hielt die Mau-
rerei ihrem Wesen nach sehr hoch und ließ das Ganze nicht ent-
gelten, daß ihn die Berliner Logen mit seinen Vorschlägen zur Er-
neuerung und Erhöhung ihrer Grundlagen schnöde abgewiesen
hatten. Er rühmte, daß die Maurerei für viele Menschen, denen
sonst keine allgemeine Bildung zugekommen wäre, eine Schule der
Menschheit geworden sei, und in der Zeit nach dem Siebenjährigen
Kriege hätten Hunderte von preußischen Offizieren ihre Erhellung
einzig aus der Loge geschöpft. Er deutete an, daß in der Geschichte
der geistigen Entwicklung neben dem exoterischen Zusammenhänge
der Wissenschaft — Hch habe es nie geleugnet’, sagte er, Maß ich
34 Leon a. a. 0. Iff.
35 Tyrtäus, Der geheime Bund der Schwarzen Brüder. (Mainz 1834) 14.
Danach Schuster a. a. O. 226. Die völlige Verwerfung bei F. Medicus,
Fichtes Leben2 (Lpz. 1922) S. 87f. Anm. verstehe ich nicht ganz; es handelt
sich doch um Fichtes Studenten-, nicht Professorenzeit.
36 Denkwürdigkeiten des eigenen Lebens 33 (Lpz. 1871), 212f.