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Brinkmann, Carl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1931/32, 3. Abhandlung): Der Nationalismus und die deutschen Universitäten im Zeitalter der deutschen Erhebung — Heidelberg, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.40161#0027
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Der Nationalismus und die deutschen Universitäten.

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in einen üppigen Boden verpflanzt, so wachsen sie gleich wilden
Stämmen verworren durcheinander. Der größte Teil derer, welche
Universitäten besuchen, benutzt die erste Zeit seiner akademischen
Laufbahn, um die Roheiten seiner älteren Kameraden zu erlernen,
sich in ihr unsittliches Betragen einzustudieren und eine von Bar-
baren ersonnene Zunftsprache sich geläufig zu machen. In der
ersten Hälfte der mittleren Zeit übt der Jüngling die erlernten Tor-
heiten und Bosheiten. In der andern Hälfte wird der Verführte
schon wieder Verführer. Die Hefen des akademischen Lebens ge-
hören den sogen. Brotwissenschaften. Mit siechem Körper, ge-
schwächtem Verstände, erschöpftem Geldbeutel sucht nun der
Wüstling in aller Eile seinem Gedächtnis so viel einzuprägen, um
die Fragen bei der bevorstehenden Prüfung notdürftig beantworten
zu können . . . Vom Volkslehrer wird zwar verlangt, er soll seinen
Zuhörern die Pflicht gegen das Vaterland predigen, er soll der
Jugend im Unterricht Patriotismus einflößen. Aber er besitzt
keinen Patriotismus, kennt nicht diese Tugend, weil er ein Vater-
land nicht kennt. Auf Schulen sich hiervon zu belehren, mangelte
ihm die Gelegenheit; auf Universitäten fehlte die Lust. Zum Beleg
mag folgender Umstand dienen. Im Januar 1798 las auf der
Friedrichsunrversität zu Halle der Professor Krause (ein als Ge-
schichtsforscher rühmlich bekannter Mann47) über die Geschichte
der preußischen Staaten. Dies Kollegium war gewiß in zehn Jahren
von keinem gelesen worden, und doch waren der Zuhörer, wenn
sie sich am zahlreichsten einfanden, nicht mehr als zwölfe. Also
unter achthundert Jünglingen waren kaum zwölf anzutreffen, die
Trieb besaßen, die Geschichte ihres Vaterlandes zu wissen. Fried-
rich Wilhelm II. hat mildtätig auf der Friedrichsuniversität zu
Halle für die Theologen freien Unterricht in einigen Wissenschaften
gestiftet. Die ärmeren Studierenden werden gewöhnlich die künf-
47 S. 256 wird Krauses Handausgabe des Lambert von Hersfeld als vor-
bildlich gerühmt. Noch in einem Brief aus dem Gefängnis an seineFrau (11. Dez.
1819 a.a. 0.199) gedenkt Jahn seinerVorlesungen über den Dreißigjährigen Krieg:
„So ist der Gedanke an Geschichtschreibung mit meinem Leben innigst verwach-
sen und längst in Gut und Blut übergegangen. Auf meine anderen Bücher gebe
ich gar nichts. Sie sind fliegende Blätter mit Gelegenheitsworten.“ Die geringe
Tiefe der bisherigen Forschung bezeugt das Urteil eines so guten Kenners wie
ES. Müsebeck (Arndt 1, 269) über Jahns „inhaltlose Studienzeit“ (vgl. u.
Anm. 156). Auch die neueste Leugnung von Jahns Verfasserschaft durch
R. Körner a. a. O. 47 erledigt sich durch die hier aufgewiesene Übereinstim-
mung.
 
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