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Carl Brinkmann;
machers „Dualismus“ schroff entgegenstehenden „Monismus“ von
Staat und Wissenschaft reden. Aber man muß doch ehrlich zu-
geben, in welche Nähe zu den gleichzeitig „physiokratischen“ und
polizeistaatlichen Plänen seines Amtsvorgängers Schmalz hier der
am unbeugsamsten rationalistische aller Kantianer gelangte: Den
breitesten Raum in dem „Deduzierten Plan“ füllen die ins einzelnste
gehenden Vorschläge für das studentische Disziplinarrecht, das
Internat der „regulären“ Staatsstipendiaten und den „Kontrakt“
der Lehranstalt mit den übrigen „Individuen“, sowie für das Pro-
fessorenrecht an der durch rücksichtslose Zusammenlegung aller
andern entstehenden einen preußischen Zentralhochschule, das in
der ,,klassen“weisen Zensur des Büchermarktes durch den akade-
mischen „Rat der Alten“ gipfelt78.
Von hier aus gesehen, erscheint auch Fichtes Berliner Rek-
toratsrede vom 19. Oktober 1811 „Über die einzig mögliche Störung
der akademischen Freiheit“ noch in anderem Lichte als in dem der
reinen, durch vorausgegangene (sogleich noch eingehender zu erwäh-
nende) Streitigkeiten höchstens im Ton gefärbten Deduktion aus
seinem System, das die Universität zur sichtbaren Darstellung der
Einheit der Welt, als der Erscheinung Gottes, und Gottes selbst“
erheben wollte. Man kommt vielmehr um die klare zeitgeschichtlich-
politische Bedeutung nicht herum, die es hatte, wenn hier der
oberste Beamte der ersten preußischen Universität, die „wahre
Ansicht“vom „Studieren als ausschließendem und einzigem Beruf79“
des Studenten verteidigend, seine alten Gegner, Orden und Lands-
mannschaften, als Vertreter des widerrechtlichen Waffengebrauchs
„mitten im Frieden“ und eines privilegierten Studentenstandes
überhaupt angriff: „Diese Vorspiegelung . . . empfiehlt sich der
jugendlichen Eitelkeit. Die Aussicht auf innig sich hingebende und
mehrere zu vollkommener persönlicher Einheit verschmelzende
Freundschaft, die Darlegung persönlicher Tapferkeit, Selbständig-
78 Diese Dinge sind noch von keiner der heutigen Fichte-,,Auffassungen“
recht verarbeitet. Des Franzosen Leon deutscher Gegenpol Max Wundt
(Fichte-Forschungen [Stg. 1929] 379f.) sieht den engen Zusammenhang von
Rationalismus und Despotie nur sehr unvollkommen.
79 Neudruck (mit erstaunlich belangloser „Einleitung“) ed. A.Ruge (Heid.
1913] 22, das folgende 33 u. 47f. Die zweimalige (S. 30 u. 49) Stichelei, auch
Professoren redeten den Studenten zum Munde, richtet sich natürlich gegen
Sciileiermacher, der freilich schon 1807 (Sprancer 129) öffentlich, ohne
Fichte zunennen, gegen dessen „gespensterartigeTransszendentalphilosophie“
polemisiert hatte.
Carl Brinkmann;
machers „Dualismus“ schroff entgegenstehenden „Monismus“ von
Staat und Wissenschaft reden. Aber man muß doch ehrlich zu-
geben, in welche Nähe zu den gleichzeitig „physiokratischen“ und
polizeistaatlichen Plänen seines Amtsvorgängers Schmalz hier der
am unbeugsamsten rationalistische aller Kantianer gelangte: Den
breitesten Raum in dem „Deduzierten Plan“ füllen die ins einzelnste
gehenden Vorschläge für das studentische Disziplinarrecht, das
Internat der „regulären“ Staatsstipendiaten und den „Kontrakt“
der Lehranstalt mit den übrigen „Individuen“, sowie für das Pro-
fessorenrecht an der durch rücksichtslose Zusammenlegung aller
andern entstehenden einen preußischen Zentralhochschule, das in
der ,,klassen“weisen Zensur des Büchermarktes durch den akade-
mischen „Rat der Alten“ gipfelt78.
Von hier aus gesehen, erscheint auch Fichtes Berliner Rek-
toratsrede vom 19. Oktober 1811 „Über die einzig mögliche Störung
der akademischen Freiheit“ noch in anderem Lichte als in dem der
reinen, durch vorausgegangene (sogleich noch eingehender zu erwäh-
nende) Streitigkeiten höchstens im Ton gefärbten Deduktion aus
seinem System, das die Universität zur sichtbaren Darstellung der
Einheit der Welt, als der Erscheinung Gottes, und Gottes selbst“
erheben wollte. Man kommt vielmehr um die klare zeitgeschichtlich-
politische Bedeutung nicht herum, die es hatte, wenn hier der
oberste Beamte der ersten preußischen Universität, die „wahre
Ansicht“vom „Studieren als ausschließendem und einzigem Beruf79“
des Studenten verteidigend, seine alten Gegner, Orden und Lands-
mannschaften, als Vertreter des widerrechtlichen Waffengebrauchs
„mitten im Frieden“ und eines privilegierten Studentenstandes
überhaupt angriff: „Diese Vorspiegelung . . . empfiehlt sich der
jugendlichen Eitelkeit. Die Aussicht auf innig sich hingebende und
mehrere zu vollkommener persönlicher Einheit verschmelzende
Freundschaft, die Darlegung persönlicher Tapferkeit, Selbständig-
78 Diese Dinge sind noch von keiner der heutigen Fichte-,,Auffassungen“
recht verarbeitet. Des Franzosen Leon deutscher Gegenpol Max Wundt
(Fichte-Forschungen [Stg. 1929] 379f.) sieht den engen Zusammenhang von
Rationalismus und Despotie nur sehr unvollkommen.
79 Neudruck (mit erstaunlich belangloser „Einleitung“) ed. A.Ruge (Heid.
1913] 22, das folgende 33 u. 47f. Die zweimalige (S. 30 u. 49) Stichelei, auch
Professoren redeten den Studenten zum Munde, richtet sich natürlich gegen
Sciileiermacher, der freilich schon 1807 (Sprancer 129) öffentlich, ohne
Fichte zunennen, gegen dessen „gespensterartigeTransszendentalphilosophie“
polemisiert hatte.