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Brinkmann, Carl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1931/32, 3. Abhandlung): Der Nationalismus und die deutschen Universitäten im Zeitalter der deutschen Erhebung — Heidelberg, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.40161#0044
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Carl Brinkmann:

meinste Gassenpöbel unter dem Stocke des Straßenhüters oder der
Fuchtel des Scharwächters stehe, und deutete an, daß das rohe
Treiben der Landsmannschaften durch diese Polizeiwillkür eher
gefördert als gemindert werde81.
Zu einer realsoziologischen Erforschung der Studentenbewe-
gungen im Zeitalter der Freiheitskriege gehört aber auch eine heute
nur erst in Umrissen mögliche Vorstellung von den gesellschaft-
lichen und wirtschaftlichen Kehrseiten der großen Reformen, durch
die die von dem liberalen Aufklärer Hardenberg noch früher und
dauernder als von den demokratischen Konservativen geleitete
preußische Regierung die Wiedergeburt ihres Staates erstrebte. Es
kann auf die Dauer auch soziologisch nicht genügen, die ständisch-
romantische Opposition gegen diese Reformen immer nur aus vor-
gegebenen „Klassenlagen“ und „Seinsstandorten“ zu erklären,
wenigstens solange nicht die tatsächlichen Restandteile dieser Lagen
und Orte in gewissenhafter Einzelforschung gewürdigt sind. Daß
die napoleonische Fremdherrschaft nicht der einzige Druck war,
unter dem die Jugend der deutschen Oberstände zwischen 1807
und 1813 stand, scheint durch manche zeitgenössische Äußerungen
deutlich genug hindurch. „Die Aussichten für jeden Menschen in
Teutschland,“ schrieb z. R. Karl Friedrich Schinkel beim Aus-
zug seines jungen Sohnes am 18. Januar 1813 seinem Schwieger-
vater, dem Stettiner Kaufmann Berger82, „waren nur düster und
trübe, und nirgend war Hoffnung. Aber das Leben unsrer jungen
Männer vor allem erregte immer in mir eine Niedergeschlagenheit,
die um so größer war, je mehr man sich durch den redlichen Fleiß
des einen oder anderen für ihn interessieren mußte. Denn wo war
die Aussicht, daß auch nur der geringste Teil billiger Wünsche für
ihr künftiges Glück realisiert werden konnte; und dies bange Ge-
fühl hatten die jungen Leute selbst, und es tat ihren Studien großen
Eintrag. Ein Entscheidendes mußte unternommen werden, und
der Himmel scheint für die gute Sache mitwirken zu wollen, es ist
seit langem beinah das erstemal, wo sich die Stimme des Fürsten
mit der des Volkes ganz begegnet, und die Stimmung des Volkes
läßt das Beste hoffen“.
Kein Zweifel, die Reform war wirklich eine „innere Revolu-
tion“, wie Hardenbergs Rigaer Denkschrift es vorgezeichnet hatte.
Zunächst in dem Ressentiment aller der Kreise, die in der mili-

81 H. Haupt, Karl Folien und die Gießener Schwarzen (Gießen 1907) 26.
S2 II. Mac ko ws k y, Schinkel (Bin. 1921) 89.
 
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