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Brinkmann, Carl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1931/32, 3. Abhandlung): Der Nationalismus und die deutschen Universitäten im Zeitalter der deutschen Erhebung — Heidelberg, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.40161#0048
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48

Carl Brinkmann:

Stimmungszeugnis aus einer meist ganz panegyrisch behandelten
Zeit noch immer unentbehrlich. Und sicher waren es, wie in jeder
solchen Übergangszeit, nicht bloß die Kreise der wirtschaftlich und
politisch am unmittelbarsten Betroffenen, die der allmählichen
Einstellung der Dinge auf ein neues Gleichgewicht, das des bürger-
lichen 19. Jahrhunderts, nicht froh werden konnten.
V.
Der Antisemitismus der Erhebungszeit.
Eine der auffälligsten und lehrreichsten Reaktionen auf die
Zeitlage war der heftige Ausbruch antisemitischen Empfindens, der
im Gefolge der Judenemanzipationen die Jahre nach den Freiheits-
kriegen erschütterte. Mir will scheinen, als sei auch er weder von
der neuen „Wissenschaft des Judentums“ noch von der entgegen-
gesetzten Auffassung etwa in Treitschkes Werk bis auf seine
eigentlichen soziologischen Wurzeln geklärt worden. Die wirtschaft-
lichen und geistigen Ursachen einer Aufnahme der Juden in
das europäische Staatsbürgertum reichen auch in Deutschland und
namentlich in Preußen, das mit seinen östlichen Territorien von
jeher das Einfallstor des Ostjudentums in Westeuropa darstellte,
weit ins 18. Jahrhundert zurück. Die führende Emanzipations-
schrift war die des Friderizianischen Geheimrats C. C. W. v. Dohm
yon 1781, den die Berliner Kränzchen-Geselligkeit trotz seiner um-
fangreichen anderweiten administrativen und publizistischen Tätig-
keit andichtete als den „Menschenfreund, der dem Volke Judäas
Seine Menschenrechte verteidigt88“, während aus dem westlichen
Göttingen der schärfste Widerspruch von C. D. Michaelis kam.
Den Weg dieser Emanzipation aber stellten sich bis zum Siege der
Französischen Revolution beide Teile als eine langsame Assimi-
lation vor, die vor allem negativ die geistige Abgeschlossenheit der
Juden in ihrer religiösen Gemeinschaft durchbrechen und, am
besten auf dem Wege der Christianisierung, ihre Führerschichten
in die Kultur ihrer Wirtsvölker aufnehmen sollte. Daher zum
88 Geiger a. a. O. 202. Die Zerstreuung der westdeutschen Juden über
Kleinstädte und Dörfer im Gegensatz zu den großen städtischen Gemeinden
des Ostens (L. v. Rönne u. H. Simon, Verfassung und Verwaltung des Preuß.
Staates 8, 3 [Bresl. 1843], 25ff.) scheint die Assimilation begünstigt zu haben.
— Über Ramlers entschuldigenden Prolog zur Berliner Aufführung des Kauf-
manns von Venedig vgl. die u. Anm. 107 angeführte Schrift von Rühs S. 28ff.
 
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