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Carl Brinkmann:
Bürgerrecht zu empfangen“ (S. 22). Er forcierte (S. 18) in etwas
seltsamer Zusammenstellung Einwanderungs- und Handelsverbote,
aber auch „geistige Annäherung an uns“ durch Zwangsbesuch der
christlichen Schulen, mit dem Ziele, „daß diese Kaste mit Stumpf
und Stil ausgerottet werde, indem sie offenbar unter allen geheimen
und öffentlichen politischen Gesellschaften und Staaten im Staat
die gefährlichste ist107“.
Die Spannweite solcher Gefühle aberreichte infolge der Mannig-
faltigkeit der betroffenen Interessen bis zu dem gesellschaftlichen
Gegenpol der Universitäts-Intelligenz, der altständischen Oppo-
sition eines Marwitz. Er gab zwar an der Mobilisierung der alten
Lebensformen gerade dem „Orden der Regierer“ aus der „Klasse
von heimatlosen Menschen, die sich den gebildeten Mittelstand
nennt“, Schuld. Aber in seiner „Letzten Vorstellung der Stände
des Lehninschen Kreises an den König“ vom Mai 1811, die den
offenen Kampf mit Hardenberg einleitete, standen doch die, wie
Hardenbergs Randbemerkung sagt, „höchst unschicklichen Äuße-
rungen“ : „Diese Juden, wenn sie wirklich ihrem Glauben treu sind,
die notwendigen Feinde eines jeden bestehenden Staates (wenn sie
ihrem Glauben nicht treu sind, Heuchler), haben die Masse des
baren Geldes in Händen; sobald also das Grundeigentum so in
seinem Werte gesunken sein wird, daß es für sie mit Vorteil zu
acquirieren ist, wird es sogleich in ihre Hände übergehen, sie werden
als Grundbesitzer die Hauptrepräsentanten des Staates, und so
unser altes ehrwürdiges Brandenburg-Preußen ein neumodischer
Judenstaat werden108“.
Die literarische Gegenwehr der Angegriffenen war nach Inhalt
und Form nicht eben dazu angetan, für sie zu werben. Hatten in
die Erörterung von Dohms Gedanken noch große Juden wie Moses
Mendelssohn eingegriffen, so fiel der Vorkampf jetzt dem übelsten
107 In der Begründung noch manches sozial und wirtschaftlich Belang-
volle. S. 20: „In Frankfurt ging jene [Dalbergs] Regierung so weit, christ-
liche Schulen von jüdischen Studienräten visitieren zu lassen“. S. 8 nach
Rühs: „Selbst ihr Vermögen gereicht dem Staate nicht zum Nutzen, denn
den Vermögenssteuern weichen sie unter dem Vorwand aus, der größte Teil
ihres Vermögens gehöre einem auswärtigen Haus, und den Zöllen durch De-
fraudationen“ ; dazu die Instruktion des preuß. Bundestagsgesandten v. Jor-
dan (selbst eines getauften Juden) 1817 bei Schwemer 402: „daß sie nicht
. . . einer den andern übertragen und auf diese Weise schädliche Mißverhält-
nisse in der Leistung der Bürgerpflichten . . . zeigen“.
108 Meusel 2, 2, 318 u. 20f.
Carl Brinkmann:
Bürgerrecht zu empfangen“ (S. 22). Er forcierte (S. 18) in etwas
seltsamer Zusammenstellung Einwanderungs- und Handelsverbote,
aber auch „geistige Annäherung an uns“ durch Zwangsbesuch der
christlichen Schulen, mit dem Ziele, „daß diese Kaste mit Stumpf
und Stil ausgerottet werde, indem sie offenbar unter allen geheimen
und öffentlichen politischen Gesellschaften und Staaten im Staat
die gefährlichste ist107“.
Die Spannweite solcher Gefühle aberreichte infolge der Mannig-
faltigkeit der betroffenen Interessen bis zu dem gesellschaftlichen
Gegenpol der Universitäts-Intelligenz, der altständischen Oppo-
sition eines Marwitz. Er gab zwar an der Mobilisierung der alten
Lebensformen gerade dem „Orden der Regierer“ aus der „Klasse
von heimatlosen Menschen, die sich den gebildeten Mittelstand
nennt“, Schuld. Aber in seiner „Letzten Vorstellung der Stände
des Lehninschen Kreises an den König“ vom Mai 1811, die den
offenen Kampf mit Hardenberg einleitete, standen doch die, wie
Hardenbergs Randbemerkung sagt, „höchst unschicklichen Äuße-
rungen“ : „Diese Juden, wenn sie wirklich ihrem Glauben treu sind,
die notwendigen Feinde eines jeden bestehenden Staates (wenn sie
ihrem Glauben nicht treu sind, Heuchler), haben die Masse des
baren Geldes in Händen; sobald also das Grundeigentum so in
seinem Werte gesunken sein wird, daß es für sie mit Vorteil zu
acquirieren ist, wird es sogleich in ihre Hände übergehen, sie werden
als Grundbesitzer die Hauptrepräsentanten des Staates, und so
unser altes ehrwürdiges Brandenburg-Preußen ein neumodischer
Judenstaat werden108“.
Die literarische Gegenwehr der Angegriffenen war nach Inhalt
und Form nicht eben dazu angetan, für sie zu werben. Hatten in
die Erörterung von Dohms Gedanken noch große Juden wie Moses
Mendelssohn eingegriffen, so fiel der Vorkampf jetzt dem übelsten
107 In der Begründung noch manches sozial und wirtschaftlich Belang-
volle. S. 20: „In Frankfurt ging jene [Dalbergs] Regierung so weit, christ-
liche Schulen von jüdischen Studienräten visitieren zu lassen“. S. 8 nach
Rühs: „Selbst ihr Vermögen gereicht dem Staate nicht zum Nutzen, denn
den Vermögenssteuern weichen sie unter dem Vorwand aus, der größte Teil
ihres Vermögens gehöre einem auswärtigen Haus, und den Zöllen durch De-
fraudationen“ ; dazu die Instruktion des preuß. Bundestagsgesandten v. Jor-
dan (selbst eines getauften Juden) 1817 bei Schwemer 402: „daß sie nicht
. . . einer den andern übertragen und auf diese Weise schädliche Mißverhält-
nisse in der Leistung der Bürgerpflichten . . . zeigen“.
108 Meusel 2, 2, 318 u. 20f.