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Güntert, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1932/33, 1. Abhandlung): Labyrinth: eine sprachwissenschaftliche Untersuchung — Heidelberg, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.40163#0030
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Hermann Güntert:

αμο-ς, Κίσ-αμος, Λύγδ-αμο-ν, Κύ-αμο-ν usw. Somit ist άσ-άμ-ινθος
in seiner Bildung uns völlig klar geworden.
Vielleicht hängt mit diesem as- «Stein» die Variante ath- in νΑθως, Άθά-
μας, 5Αλαμάνες, kleinasiatisch Άθ-αν-ασσός, Άττ-αν-ασσός lautlich zusammen,
da wir wissen, daß σ und τ, θ wechseln, weil in der Ursprache ein dentaler Spi-
rant ß gesprochen wurde (s. o. § 25). Dann wäre nicht nur Athene, Άθ-ήνη,
und die von ihrem Namen bezeichnete Stadt Άθήναι (d. h. «die Göttin Athene
und ihr Kultkreis») anzureihen (das Suffix wie in Μυκ-ήνη, Κυλλήνη, Μυτιλ-ήνη
usw.), sondern es würde zugleich der Name Attikas anschließbar sein, der in
recht auffälligen Schwankungen überliefert ist: Άττ-ική, Άτθίς, Άτηνία: das
deutet wieder auf dentale Spirans p. Vgl. Doppelschreibungen sogar desselben
Namens, wie Δανθ-αλήχαι : Denselete. Für den Namen der Göttin muß man an die
Athena Έργάνη als Schützerin des Töpferhandwerks denken: Kretschmer (Glotta
11, 1921, 282f.) vergleicht ansprechend ’Αθ-ήνη, dor. Αθάνά mit dem etruskisch
athanulus, atanulum «tönernes Gefäß», athanuvium «tönernes Opfergefäß», atena
«tönerne Schale», αχχανον «Pfanne». Dazu der kleinasiatische Stadtname Άθ-αν-
ασσός Άχχαν-ασσός. Vom Kerameikos ging der Festzug an den Panatbenäen aus,
die Sieger in den Wettkämpfen erhielten bei diesem Feste Amphoren (s. Kretschmer
aaO. 283).1 Aber selbst wenn unser as- in Asamum, άσάμινθος nichts mit diesem
aß- «Ton» zu tun hat, so haben wir in dieser Sippe, zu welcher der Götternamen
Άθ-ήνη gehört, einen weiteren Beleg für vorgriechische Bezeichnungen von Töpfer-
waren, eines Sinngebiets, dessen Wichtigkeit für unsere Grundfrage uns immer
wieder auffällt.
Den Stamm ’Ασ- finden wir ferner in ’Ασαί bei Κόρινθος,
’Άσσηρα auf der Chalkidike, ’Άσσα auf Samos, 'Ασσησσός bei Milet,
"Ασσος in der Troas. Auch der ’Άσιος λειμών (Homer B 461), von
dem letztlich der Name Asien sich herleitet, wird gewiß zu unse-

1 Die Frage nach der Herkunft der Athena kann natürlich hier nicht so im
Vorbeigehen behandelt werden. Aber es mag doch wenigstens unter allgemeinem
Hinweis auf die Ansichten von Nilsson und von Wilamowitz erwähnt sein, daß
παρθένος erst von der Άθ-ηνά Παρθένος stammt (so auch Debrunner bei Ebert
Reallex. d. Vorgesch. IV, 1926, 522 f.) und offenbar mit Namen wie Πάρθος, ΙΙαρθίων
zusammenhängt. Der Widerspruch zwischen dem mütterlichen und andrerseits
wieder jungfräulichen Charakter der Göttin (Fehrle, d. kult. Keuschheit im Alter-
tum 1910, 170 ff.) ließe sich von hier aus verstehen. Denn sachlich ist nach meiner
Ansicht vor allem an die ägäischen Tonidole weiblicher Gottheiten anzuknüpfen,
wie wir sie seit Schliemanns Ausgrabungen immer häufiger kennen lernten. Von
hier aus löst sich auch das Rätsel von Athenas Geburt aus dem Haupt des Zeus:
denn es gibt bildliche Darstellungen solcher Kopfgeburten aus sehr alter Zeit, z. B.
in dem Marmoridol von Pharos (jetzt im Karlsruher Museum). Damit wird der
Sinn von Παλλάς, -αδος und Παλλάδ-.ον sachlich verständlich: «Tonpüppchen, Stein-
idol»; und ich stelle dies pallad- zu lat. palätum, Palätium (s. § 32), vgl. auch
Παλλήνη «westliche Halbinsel der Chalkidike» : Πελλήνη (s. § 31). An anderer
Stelle gedenke ich auf die religionsgeschichtliche Entwicklung der Athene genauer
zurückzukommen: von indogermanischem Erbe ist bei ihr wenig zu erkennen.
 
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