Metadaten

Güntert, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1932/33, 1. Abhandlung): Labyrinth: eine sprachwissenschaftliche Untersuchung — Heidelberg, 1932

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.40163#0049
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Labyrinth.

43

Poseidons gut passen. Soll er doch nach Herodot (aaO.) im Gegen-
satz zu den anderen Göttern von den Libyern stammen, und auch
nach Homer geht der Gott gern zu den frommen Götterlieblingen,
den Aithiopen, den am weitesten abseits wohnenden Menschen. Viel-
leicht lassen sich auch hier sprachliche Verbindungsfäden knüpfen
(z. B. "Ατλας als Berg und Riese zu Αταλάντη, dem Namen einer
Sonclerart jener «Göttin mit den Tieren», die wir oben (§ 19) in
der Artemis Lapliria sahen?). Aber es wäre heute noch viel zu kühn
und vorschnell, einzelnes aus dem tiefen Sagendunkel, das Atlantis
umgibt, als geschichtlich in Anspruch nehmen zu wollen. Wie in
den Sagen vom Labyrinth, von Troja oder Lavinium dürfen wir
von prähistorischen Zeugnissen in Verbindung mit sprachwissen-
schaftlichen Beobachtungen weitere Aufklärung erhoffen. Insbeson-
dere wird für alle diese Sagen die Durchforschung der Sprachen
der «blonden» Berber und die Geschichte und Verwandtschafts-
verhältnisse der kaukasischen Sprachgruppe manchen dichten
Schleier von dem alten Geheimnis lüften. Aber schon heute dünkt
es mir sicher, daß auch an der Sage von Atlantis ein letzter, ge-
schichtlicher Kern anzuerkennen ist.
Wichtiger aber scheint mir unser Ergebnis, daß die Megalith-
völker Westeuropas, die auf Kelten und Germanen ihren starken
Einfluß ausgeübt haben, eine Sprache redeten, die mit Iberisch,
Etruskisch, Ägäisch und alten, nichtindogermanischen,
nichtsemitischen kleinasiatischen Sprachen eine engere
Beziehung hatte. Nachdem das einmal erkannt ist, wird eine
weitere Erforschung auf anderen Sinnfeldern bestätigen, was uns
zum erstenmal das alte Wort für den zubehauenen, aus Bergwerk-
betrieb gewonnenen Stein hier gelehrt hat. Nicht nur für das
Lateinische und Griechische, sondern auch für Keltisch, Germanisch
und Slavisch ist Entlehnungsmöglichkeit und Beeinflussung von
Seiten eines der kleinasiatisch-ägäisch-etruskisch-iberischen Sprach-
gruppe nahestehenden, vorindogermanischen Sprachstammes grund-
sätzlich nicht mehr zu bezweifeln.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften