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Fraenkel, Eduard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1932/33, 2. Abhandlung): Das Pindargedicht des Horaz — Heidelberg, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.40164#0006
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Eduard Fraenkel:

der Satz nil oriturum alias, nil ortum tale fatentes mit seinem alle
Äonen umfassenden Abwägen inhaltlich weniger kühn sei als die
Worte quo nihil maius eqs., aber er bleibt doch bloße Aussage, Fest-
stellung einer Tatsächlichkeit. Die Strophe des Liedes aber redet
nicht, sie singt; in ihren hymnischen Schwung ergießt sich der
Strom eines tiefen und dankbaren Gefühls. Die sprachliche Form
der Lobpreisung hier ist sehr bezeichnend: eine dem Inhalt nach
superlativische Bewertung wird mit Hilfe des Komparativs in einem
negativen Satze gegeben. Diese Ausdrucksweise ist dem Horaz
mehrfach, von seiner Frühzeit bis zu den spätesten Gedichten,
gerade dann in den Sinn gekommen, wenn er eine begeisterte und
verehrende Liebe unverhüllt bekennen wollte. So heißt es im Iter
Brundisinum, in bemerkenswertem Kontrast zu dem Tone des um-
gebenden Berichts, sat. 1, 5, 39ff.: postera lux oritur multo gratissi-
ma; narnque Plotius et Varius Sinuessae Vergiliusque occurrunl:
animae qualis neque candidiores terra tulit neque quis me
sit devinctior alter, und nur wenig später (sat. 1, 9, 49f.) vom
Hause des Maecenas: domus hac nee purior ulla est nec magis his
aliena malis; zu hymnischer Würde hebt sich der Eingang des
Saecularlieds: ahne Sol . . . possis nihil urbe Roma visere maius.
Am nächsten aber kommt — und das ist kein Zufall ■— im Ton
und Wortlaut dem Augustuslob desPindargedichts eine Stelle (carm.
1, 12, 17), wo der Göttervater, Vater und Fürsorger auch des
Caesar* 1, gepriesen wird als der, unde nil maius generatur ipso.
Die Strophe selbst bedarf keiner weiteren Erläuterung. Nur
auf den besonderen Sinn von boni divi sei aufmerksam gemacht;
wir überhören ihn leicht, weil uns ein entsprechendes Prädikat der
Gottheit vertraut und selbstverständlich ist. Aber der Satz "Gott
ist gütig’ gehört nicht zum Bestände griechischer oder römischer
Religiosität, und wenn es irgendwo eine δαιμόνων χάρις gibt, so
bedeutet das etwas ganz anderes. Die Verbindung von bonus mit
deus oder divus ist in den älteren Schichten der Sprache so gut
wie nicht vorhanden2; eine Ausnahme macht allein der wie viele
unhaltbar) oder von den Fortuna-Topoi im ersten Epistelbuch (1, 1, 68 f.,
1, 4, 12ff., 1, 6 passim, 1, 11, 22ff.) mit dem Schlußteil von carm. 111 29 (von
V. 41 an).
1 V. 49ff. gentis humanae pater atque custos, orte Saturno, tibi cura magni
Caesaris jatis data.
2 Vgl. Thes. ling. Lat. V 905, 54; 1651, 71. Übrigens spricht auch die
Tatsache, daß Bona Dea (einerlei unter welchen Einflüssen) als Distinktiv
einer einzelnen Gottheit verwendbar ist, für das generelle Fehlen gerade dieses
 
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