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Viktor Stegemann.
der Rasur der Buchzeilen bekannte Amulettformeln; dabei ließ
man die christologischen Schlußformeln des Buchtextes stehen,
um sie in den Text des Amuletts mit einzubeziehen.1 Das vierte
Stück2 enthält zwei apokryphe Legenden, die zu Schutz- und
Heilungszauber verwendet worden sind. Die eine der beiden be-
zeichnet sich als Gebet des Elias; in diesem stellt sich der Betende,
der von Christus auf der Stirne mit dem Kreuzzeichen gesiegelt
ist, bösen Mächten jeder Art entgegen; der Text endet in einem
Preis Christi mit der Bitte um Hilfe. Der andere Text3 beschwört
Dämonen und, wie es scheint, die Patriarchen um Aushändigung
des zweiten Abgarbriefes. Er ist der wichtigere Text. Denn im
Zusammenhang mit dieser Bitte wird die Legende von der Ent-
sendung desChanan, Geheimschreibers und Hofmalers des Edessener-
königs Abgar, an Christus nach Jerusalem erzählt. Davon sowie
von der Überbringung des Briefes Christi nach Edessa ist in einer
ganz der Fassung der Legende entsprechenden Weise berichtet,
die uns in der syrischen Doctrina Addai vorliegt. Der Text ist
deshalb wichtig, weil mit ihm ein direktes Zeugnis für die Ein-
wirkung der syrischen Version der Christus-Abgar-Sage auf die
Kopten vorliegt. Daß die mehrfach bekannte koptische Fassung
des Briefwechsels zwischen Abgar und Christus mit der syrischen
Form der Legende und nicht mit Eusebius zusammenzurücken ist,
hatte schon von Dobschütz durch Untersuchung der Umbildung
der Legende in den bekannten griechischen, syrischen, arabischen
und koptischen Zeugnissen ermittelt,4 Der Wiener Text bestätigt
durch Erwähnung der die beiden Briefe verbindenden Erzählung
die Verbreitung der in Syrien umgebildeten Form dieser Legende
bei den Kopten.
Diese Texte sowde die oben erwähnten Amulette sollen hier
unabhängig von meinem besonderen Arbeitsgesichtspunkt der Form-
analyse zunächst durch eine Textausgabe bekannt gemacht werden.
1 Nr. XXIV und Abb. 2 auf Taf. II.
2 Nr. XLV Z. 25ff. und Abb. 1 u. 2 auf Taf. I.
3 Nr. XLV Z. lff.
4 E. v. Dobschütz, Der Briefwechsel zwischen Abgar und Jesus, Zeitschr.
f. wiss. Theol. 43 (1900) S. 422 ff. Die Datierungen in v. Dobschütz’ Arbeit
(S. 466, 3) sind nach Driotons Untersuchungen (S. 19, 2) und der Auffindung von
Nr. XLV hinfällig.
Viktor Stegemann.
der Rasur der Buchzeilen bekannte Amulettformeln; dabei ließ
man die christologischen Schlußformeln des Buchtextes stehen,
um sie in den Text des Amuletts mit einzubeziehen.1 Das vierte
Stück2 enthält zwei apokryphe Legenden, die zu Schutz- und
Heilungszauber verwendet worden sind. Die eine der beiden be-
zeichnet sich als Gebet des Elias; in diesem stellt sich der Betende,
der von Christus auf der Stirne mit dem Kreuzzeichen gesiegelt
ist, bösen Mächten jeder Art entgegen; der Text endet in einem
Preis Christi mit der Bitte um Hilfe. Der andere Text3 beschwört
Dämonen und, wie es scheint, die Patriarchen um Aushändigung
des zweiten Abgarbriefes. Er ist der wichtigere Text. Denn im
Zusammenhang mit dieser Bitte wird die Legende von der Ent-
sendung desChanan, Geheimschreibers und Hofmalers des Edessener-
königs Abgar, an Christus nach Jerusalem erzählt. Davon sowie
von der Überbringung des Briefes Christi nach Edessa ist in einer
ganz der Fassung der Legende entsprechenden Weise berichtet,
die uns in der syrischen Doctrina Addai vorliegt. Der Text ist
deshalb wichtig, weil mit ihm ein direktes Zeugnis für die Ein-
wirkung der syrischen Version der Christus-Abgar-Sage auf die
Kopten vorliegt. Daß die mehrfach bekannte koptische Fassung
des Briefwechsels zwischen Abgar und Christus mit der syrischen
Form der Legende und nicht mit Eusebius zusammenzurücken ist,
hatte schon von Dobschütz durch Untersuchung der Umbildung
der Legende in den bekannten griechischen, syrischen, arabischen
und koptischen Zeugnissen ermittelt,4 Der Wiener Text bestätigt
durch Erwähnung der die beiden Briefe verbindenden Erzählung
die Verbreitung der in Syrien umgebildeten Form dieser Legende
bei den Kopten.
Diese Texte sowde die oben erwähnten Amulette sollen hier
unabhängig von meinem besonderen Arbeitsgesichtspunkt der Form-
analyse zunächst durch eine Textausgabe bekannt gemacht werden.
1 Nr. XXIV und Abb. 2 auf Taf. II.
2 Nr. XLV Z. 25ff. und Abb. 1 u. 2 auf Taf. I.
3 Nr. XLV Z. lff.
4 E. v. Dobschütz, Der Briefwechsel zwischen Abgar und Jesus, Zeitschr.
f. wiss. Theol. 43 (1900) S. 422 ff. Die Datierungen in v. Dobschütz’ Arbeit
(S. 466, 3) sind nach Driotons Untersuchungen (S. 19, 2) und der Auffindung von
Nr. XLV hinfällig.