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Immisch, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1933/34, 2. Abhandlung): Catulls Sappho — Heidelberg, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.40167#0013
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Catulls Sappho

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zu erwartenden Perfecta mit est, exsultas, gestis in jenes Damals
wieder mitten hineinversetzt werden ?
Zu loben ist indessen an dieser Deutung das sichere Gefühl für
die nicht stark genug hervorzuliebende Abschlußfigur hinter
Strophe 3. Der damit gegebnen Zweiteiligkeit des Gedichts ist
m. E. bisher nur ein einziger Erklärer wenigstens grundsätzlich
gerecht geworden, Kalinka, im Wiener Eranos für die Grazer Philo-
logenversammlung 1909, 157ff.: Catulls Lied ist ein Duett.
Die vierte Strophe spricht Lesbia.
„Welcher antike Leser“, fragt Kroll, „sollte auf eine so ge-
künstelte Auslegung verfallen?“ Mit Verlaub: wieso gekünstelt?
Die Zweiteiligkeit mit Redeschluß hinter der 3. Strophe ist offen-
kundig. Wenn nun im ersten Teil Catull spricht und die Anrede
Lesbia gebraucht, und im zweiten Teil die Anrede Catulle erscheint,
ist es da nicht im Gegenteil die allernächstliegende und allernatür-
lichste Annahme, daß wirs mit einem Dialog zu tun haben ? Wenn
man es bisher vorzog (so weit man nicht zwei Gedichte annahm),
Catulle als Selbstanrede zu fassen und sich dafür auf das 8. Gedicht
zu berufen, wo ein vergleichbarer Anredewechsel vorliege, so ge-
schah das doch nur unter dem nicht mehr berechtigten Eindruck,
als müsse das Abhängigkeitsverhältnis zur sapphischen Ode in
allem einzelnen maßgebend sein, also auch in der monologischen
Gesamthaltung dieses Vorbilds. Ohne den beständigen Blick auf
dieses würde wohl jeder Leser, der antike wie der moderne, ohne
weiteres im Sinn von Kalinka schließen. Ist doch das Hin und Her
der Anrede im 8. Gedicht in keiner Weise im Sinne von abge-
schlossener Ansprache und Gegenansprache so deutlich aufgeteilt
wie in unserem Fall.
Nur in der Inhaltsdeutung vermag ich Kalinka nicht zu folgen.
Er meint, Lesbia lehne —- wenn gleich wohl nicht endgültig —- die
Werbung ab. „Du suchst meine Liebe nur zum Zeitvertreib, weil
die Muße Dir schon lästig geworden ist, und weil Dich der Haber
sticht. Dazu hin ich mir zu gut (nimium gestis). Solcher Müßig-
gang hat sogar mächtige Könige und Städte zugrunde gerichtet.
Fang lieber was Gescheiteres an.“ Vergegenwärtigt man sich andere
mehr oder minder berühmte Liebesverhältnisse, vro auf der einen
Seite eine bedeutende Überlegenheit der Frau, sei es im Alter, sei
es in der gesellschaftlichen Stellung, sei es in erfahrener Weitläufig-
keit, sei es in einer Vereinigung mehrerer oder aller dieser Eigen-
schaften hervortritt, so liegt denn doch eine zugleich zartere und
 
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