Metadaten

Kolbe, Walther; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1933/34, 4. Abhandlung): Die Kriegsschuldfrage von 218 v. Chr. Geb. — Heidelberg, 1934

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.40169#0008
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Walther Kolbe:

seiner Nachrichten über die römischen Gesandtschaften. Im 'Jahre
218’ — er nennt die Konsuln -—als noch kein Kriegszustand mit
Sagunt herrschte, wird im Senat die Absendung einer ersten
Gesandtschaft beschlossen, aber nicht abgeschickt. Erst auf
die Kunde vom Beginn der Belagerung gehen Gesandte ins Haupt-
quartier nach Neukarthago. Sie werden aber, ohne überhaupt
vorgelassen zu sein, schnöde abgewiesen, so daß sie sich unmittel-
bar an die karthagische Begierung wenden. Das ist aber nicht die
einzige Verfälschung der Vorgeschichte, die sich Livius zu schulden
kommen läßt. Vielleicht am groteskesten ist die Behauptung, daß
Hannibal die kastilischen Karpetaner und Oretaner durch allzu drük-
kende Aushebungen zur Zeit des Kampfes gegen Sagunt fast zum
Aufstand getrieben und sie nachher, während die Belagerung durch
einen Unterführer aufrechterhalten wurde, auf einem militärischen
Spaziergang mit leichter Mühe zur Unterwerfung gezwungen habe1.
Zur Ehre des Livius muß anerkannt werden, daß ihm •— wohl
unter dem Einfluß des von ihm anfangs unterschätzten polybiani-
schen Werkes •—■ die Unhaltbarkeit seiner Darstellung zum Be-
wußtsein gekommen ist. Aber er hat nicht die Kraft gefunden, die
Konsequenzen daraus zu ziehen und die Vorgeschichte des Krieges
unabhängig von seiner römischen Vorlage neu zu schreiben. Für uns
Grund genug ihn fallen zu lassen und uns ganz der Führung des
Polybios anzuvertrauen, der durch seine ausgesprochene Römer-
freundlichkeit vor dem Verdacht, die Tatsachen zugunsten der
Semiten verfälscht zu haben, gefeit ist.
Für die juristische Beurteilung der Sachlage beim Eintreffen
der ersten römischen Gesandtschaft hei Hannibal im Herbst 2202
ergibt sich danach ein gesichertes Tatsachenmaterial. Die Römer
verlangen, daß er Sagunt nicht angreife und daß er den Ebro nicht
überschreite. Hannibal hat das eine so wenig getan wie das andere.
Es kann auch nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, daß er
den Gesandten in einer rechtlich völlig unantastbaren Stellung
gegenübersteht. Und trotzdem diese Mahnung! Wie soll der rück-
schauende Historiker sie bewerten ? Es ist der beste Beweis für Vor-
eingenommenheit, wenn neuerdings ein italienischer Gelehrter3
1 Liv.21,11,13: paulisper tarnen animos recreavit repentina profectio Hanni-
balis in Oretanos Carpetanosque, qui duo populi dilectus acerbitate consternati
retentis conquisitoribus motum defectionis cum praebuissent, oppressi celeritate
Hannibalis omiserunt arma mota.
2 Holleauxt, 137, 4, Groag 51.
3 de Sanctis III1, 416.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften