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Kolbe, Walther; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1933/34, 4. Abhandlung): Die Kriegsschuldfrage von 218 v. Chr. Geb. — Heidelberg, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.40169#0023
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Die Kriegsschuldfrage von 218 v. Chr. Geb.

23

zuverlässiger Faktor für die Politik war1. Noch gab es eine starke
karthagische Partei in der Stadt — der wenige Jahre später aus-
gebrochene Bürgerzwist beweist es —, und es war keineswegs aus-
geschlossen, daß diese Partei die Oberhand gewann und von sich
aus das Bündnis mit Rom wieder löste. Wenn man das alles
erwägt und sich weiter erinnert, wie Born die karthagische Notlage
nach dem Söldnerkriege in der schnödesten Weise zu einem rechts-
widrigen Angriff auf Sardinien ausgenutzt hatte, dann kann man
den karthagischen Feldherrn verstehen, der die Hand, die sich
ihm entgegenstreckte, nicht zurückstieß, sondern selbst eine
Beeinträchtigung der Einflußsphäre in Kauf nehmen zu können
glaubte in dem Bewußtsein, daß er den ruhigen Ausbau des
Kolonialreiches sicherte. Der Mann, der so handelte, war
kein politischer Stümper, sondern ein Realpolitiker, der wußte,
daß für Karthago auf Jahre hinaus Frieden notwendig war, damit
es in seinem jungen überseeischen Besitz erst einmal die Grundlagen
geordneter Verhältnisse schaffen konnte. Welche Folgerungen sich
hieraus für die allgemeine Beurteilung der Absichten Hasdrubals
ergeben, soll später dargelegt werden.
Also — noch einmal sei es gesagt —- Rom hat den größten
Gewinn von dem Abkommen des Jahres 226 gehabt. Aber es ist
darum keine societas leonina gewesen: auch Karthago konnte
einen auf Jahre hinaus lohnenden Nutzen für sich buchen. Sehen
wir das Abkommen in diesem Lichte, dann ist es in der Tat ein
Beweis für die Klugheit und den Weitblick der führenden Männer
Roms2. Ihr Blick ist nicht mehr auf die Apennin-Halbinsel be-
schränkt. Zu einer Zeit, wo von einer spanischen Gefahr auch
nicht im entferntesten die Rede sein konnte, -— im Jahre 231 -
wird eine Gesandtschaft zur Orientierung dorthin gesandt. Es
war ein erster Schritt auf unbekanntem Grund und Boden. Weitere
folgten. Rom hat die glücklichen Fortschritte Karthagos dauernd
im Auge behalten. Es ist nicht davor zurückgeschreckt, eigene
Interessen in Spanien zu erwerben, indem es Sagunt ins Bündnis
1 Ilasdrubal hätte ohne Zweifel die Lösung des Paktes erreicht, falls
er in ihm eine Gefahr gesehen hätte.
2 Daß ich in dieser grundsätzlich wichtigen Beurteilung mit W. Otto
übereinstimme, s. besonders 497 und 502, stelle ich mit Genugtuung fest.
Dagegen muß ich Holleaux’ Standpunkt mit aller Entschiedenheit ablehnen,
Rome, la Grece 124, 136. Für seine Einstellung ist bezeichnend, daß er S. 123, 4
die römische Gesandtschaft des Jahres 231 aus der Geschichte streichen will,
ln der Tat, sie verdirbt ihm das Konzept.
 
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