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Kolbe, Walther; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1933/34, 4. Abhandlung): Die Kriegsschuldfrage von 218 v. Chr. Geb. — Heidelberg, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.40169#0035
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Die Kriegsschuldfrage von 218 v. Chr. Geb.

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lustig hingestellt. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir feststellen,
daß uns aus der ganzen Zeit der Statthalterschaft Hamilkars
auch nicht eine Tatsache bekannt geworden ist, die beweisen
könnte, daß er auf den Rachekrieg hingearbeitet hat. Es sei denn,
daß man in der Gründung des Kolonialreiches auf spanischem
Boden von vornherein den Ausdruck eines festen Kriegswillens
erblicken wollte. Mag es Zeiten gegeben haben, wo die moderne
Forschung unter dem Einfluß des Polybios derartige Anschau-
ungen für möglich hielt, — heute sind sie überwunden. Wir geben
ohne weiteres zu, daß die Wendung des Karthagischen Staates
nach Westen die Reibungsflächen mit Rom verringerte. Sie be-
deutete eine grundsätzliche Abkehr von der Jahrhunderte lang
aufrecht erhaltenen Tradition, im Raum des Tyrrhenischen Meeres
die unumschränkte Seeherrschaft zu behaupten. Sie war zugleich
eine Absage an die Politik, die zum Zusammenstoß mit Rom ge-
führt hatte. Und auch das muß offen ausgesprochen werden, daß
Karthagos Erfolge in Spanien keineswegs automatisch einen Prä-
ventivkrieg von römischer Seite auslösen mußten. Das ist eine
Betrachtung ex eventu, die die Römer von vornherein als die
Welteroberer hinstellen möchte. Ein Imperialismus, wie er Alex-
ander bei seinem Zuge nach Asien beseelte, lag aber den Senatoren
des dritten Jahrhunderts noch völlig fern. Es ließ sich also durch-
aus der Zustand denken, daß neben den griechischen Machtbereich
im Osten und den römischen im Zentrum ein semitischer im Westen
trat1. Fehlt es somit an allen positiven Beweisen für den Kriegs-
willen bei Hamilkar Barkas, so gibt es ein Moment, das laut für
seine Friedensliebe spricht: er hat es unterlassen, eine starke
Marine in Spanien zu schaffen. Ihm, der so viel weiter sah als die
Masse seiner Landsleute, kann nicht verborgen geblieben sein,
daß die von ihm bitter empfundene Niederlage im Ringen mit
Rom auf die Schwäche zur See zurtickzuführen war. Aus dieser
Erkenntnis ergab sich die Notwendigkeit, die Friedenszeit dazu
zu benutzen, das Versäumte nachzuholen und dafür zu sorgen,
daß Karthago in einen neuen Waffengang mit überlegener Flotte
eintrat — immer vorausgesetzt, daß er in offensiver Absicht nach
Spanien gegangen war. Trotz der reichen Geldmittel, die ihm
aus den Silberbergwerken zuflossen und die die finanzielle Basis
für den Aufbau einer starken Seemacht geboten hätten, spielt die
1 Es darf daran erinnert werden, daß Ranke, Weltgesch. II 1, 200
eine Gleichgewichtslage zwischen Rom und Karthago für möglich gehalten hat.
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