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Tellenbach, Gerd; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 1. Abhandlung): Roemischer und christlicher Reichsgedanke in der Liturgie des fruehen Mittelalters — Heidelberg, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.40170#0018
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Gerd Tellenbach:

Die nähere Betrachtung der Terminologie der liturgischen
Texte wird erkennen lassen, daß es sich keineswegs um bloß äußer-
liche Angleichungen handelt, sondern daß römisches Kulturbewußt-
sein in den Bestand der christlichen Ideologie eingegangen ist.
Romanum nomen allerdings ist nur ein ziemlich neutrales Sy-
nonym von Romanum Imperium; es ist der römischen Literatur
geläufig und bedeutet Römermacht, Römertum. Nomen kommt
schon in Verbindung mit Latinum vor, später zusammen mit allen
Nationen, besonders als nomen Francorum oder nomen Christianum.
Gerade des zuletzt genannten Terminus wegen muß daran erinnert
werden, daß nomen Christianum auch das christliche Bekenntnis
bedeuten kann; so erkundigte sich der jüngere Plinius als Statt-
halter von Bithynien und Pontus in jenem berühmten Brief an
Kaiser Trajan, ob die Christen schon des bloßen Bekenntnisses
wegen, propter ipsum nomen Christianum zu verurteilen wären.
Doch ist das nomen Christianum der Liturgie gewiß nichts anderes
als eine unter bestimmten geschichtlichen Voraussetzungen, die
gleich zu erörtern sein werden, erfolgte Umbildung von nomen
Romanum. Außerdem hat ja auch das nomen Christianum als
christliches Bekenntnis die Kraft in sich, die Bedeutung Kirche,
Christentum, imperium Christianum zu erfüllen1.
Wichtiger als diese abstrakte Umschreibung ist es, daß in den
ältesten liturgischen Texten das Römerreich metaphorisch durch
jene seine Eigenschaften und Güter bezeichnet wird, in denen seit
Jahrhunderten die Menschen gerade die kulturelle Würde der
Oekumene beschlossen fanden. Ich meine: pax, securitas, libertas
Romana.
Roms Kriege haben das Ziel, die Grenzen der Kulturwelt vor
der anbrandenden Wildheit der Randvölker zu schirmen und die
Welt zu befrieden, d. h. die pax durch Unterwerfung der Barbaren
dorthin zu tragen, wo noch Zwist und Gesetzlosigkeit herrscht. Wo
die Herrschaft des Gesetzes und der den Römern eigenen Tugenden
aufgerichtet wird, da haben Anarchie, Kampf und Sittenlosigkeit
1 Vgl. Aeg. Forcellini, Totius latinitatis lexicon s. v. nomen. Zum
nomen Christianum vgl. Th. Mommsen, Der Religionsfrevel nach römischem
Recht, TIZ LXIV (1890), 394, Anm. 2 und W. Weber, .... nec nostri saeculi
est. Bemerkungen zum Briefwechsel des Plinius mit Trajan über die Christen,
Festg. f. K. Müller (1924), 36f.; zum nomen Romanum in der liturgischen
Sprache Mone, Latein, u. Griech. Messen, S. 111 ff. und K. Heldmann, Das
Kaisertum Karls d. Gr., Quellen und Studien z. Verfassungsgesch. d. Dt.
Reiches VI, 2 (1928), 41, Anm. 2.
 
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