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Tellenbach, Gerd; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 1. Abhandlung): Roemischer und christlicher Reichsgedanke in der Liturgie des fruehen Mittelalters — Heidelberg, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.40170#0023
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Römischer und christlicher Reichsgedanke.

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Ausdruck verschaffen, durch die Jahrhunderte zu begleiten, müßte
man eigentlich das Corpus von ihnen besitzen, das P. E. Schramm
mit Recht gefordert hat1. Ich kenne sie bisher in etwa 50 Sakra-
mentaren und Ordines des 7.—10. Jahrhunderts. Für die hier ver-
folgten Ziele dürfte das vorläufig ausreichen.
Aus Rom und Italien stammt außer dem jetzt in Verona liegen-
den Sacramentarium Leonianum keine unserer Sakramentarhand-
schriften des 7. und 8. Jahrhunderts2. Doch dürfen wir annehmen,
daß dort die Gebete für das römische Reich und die römische Kultur
im wesentlichen unverändert geblieben sind, schon weil ein großer
Teil Italiens noch zum imperium Romanum, dem oströmischen
Reiche gehörte. Die Vermutung wird zur Gewißheit durch Nach-
richten anderer Quellen, besonders des römischen Liber diurnus,
der an mehreren Stellen die Gebete für den Kaiser erwähnt. Das
Reich heißt in den Briefen Gregors des Großen sancta, pia, christiana
res publica, und diese Ausdrucksweise ist in Rom bis ins 7. Jahr-
hundert geläufig geblieben. Wieviel Konvention und wieviel leben-
diges Bewußtsein der inneren Zusammengehörigkeit von orbis Ro-
manus und orbis Christianus darin zum Ausdruck kommt, läßt sich
allerdings nicht abmessen3. Gewiß ist, daß die Anschauung von
der Universalität des römischen Reiches und seiner Übereinstim-
mung mit der Christenheit wenigstens seit Gregor dem Großen
nicht einmal mehr in Rom ungebrochen war. Denn gerade Gregor
ist es ja gewesen, der in neuartiger Weise die außerhalb des
römischen Reiches gebliebene Germanenwelt in den Bereich seiner
oberhirtlichen Waltung einbezogen hat.
Im Frankenreich und in England gar ist die Idee vom römi-
schen Universalreich bestimmt verblaßt gewesen. Die germani-
schen Staaten, namentlich die rasch heranwachsende fränkische
Macht, die sich als Hort des katholischen Glaubens fühlte, waren
gleichberechtigt neben das alte Reich getreten. Und in jenem Zeit-
alter, in dem das Papsttum vor allem reichskirchlicher „Patriarchat
1 P. E. Schramm,' Die Ordines der mittelalterl. Kaiserkrönung, AUF XI
(1930), 368f. Vgl. auch oben S. 6, Anm. 3.
2 Baumstark, Liturgiegeschichtl. Quellen XI/XII, 43 hält es sogar für
möglich, daß das Leonianum gar nicht in Italien entstanden sei.
3 Vgl. Reg. Gregors d. Gr. I 16a (M.G.Epp. I, 17ff.); I 73 (S. 93); I 73
(S. 94); VI 61 (436); V 38 (S. 325). Über die innere Wandlung des römischen
Imperialismus bei Gregor vgl. u. S. 36. Vgl. Liber diurnus (ed. v. Sickel) S. 54
nr. 60 und S. 110 nr. 85. Zur s. res publica vgl. E. Caspar, Pippin und die
römische Kirche (1913), S. 156ff., ferner auch Heldmann S. 115ff.
2 Sitzungsbericht d. Heidelb. Akad., phil.-hist Kl. 1934/35. l.Abh.
 
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