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Tellenbach, Gerd; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 1. Abhandlung): Roemischer und christlicher Reichsgedanke in der Liturgie des fruehen Mittelalters — Heidelberg, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.40170#0038
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32

Gerd Tellenbach:

In einem ganz anderen Sinn als in den sonstigen Staaten
Europas wurden die Gebete für Kaiser, Reich und römische Kultur
in Rom und Reichsitalien gesprochen. Ris zum Ende des 8. Jahr-
hunderts war dort der Basileus, wenigstens nominell, der Souverän1.
Bei den Römern waren die Erinnerungen an die Antike lebendig
und das römische Reich war trotz der tatsächlichen Herrschaft des
Papstes und des fränkischen Patrizius eben doch das ihre. Die
Worte der Liturgie waren ihnen keineswegs blasse Formeln, son-
dern begriffen ihre Wirklichkeit. Wie lange allerdings in der alten
Hauptstadt die Gebete für den Kaiser in Neurom noch üblich waren,
wissen wir nicht genau. Zwar erfahren wir, daß mindestens seit
Hadrian I. für den König der Franken und die königliche Familie
gebetet wurde2. Damit ist aber noch nicht gesagt, daß die Gebete
für den Kaiser schon gleichzeitig fortgefallen seien3. Es können
sehr wohl Gebete für den Kaiser und den König nebeneinander
bestanden haben. Das Sakramentar, das Karl der Große von
Hadrian I. bekam, enthielt wenigstens die Kaisergebete noch. Aller-
dings ist dieses Sakramentar, wie wir erfuhren, damals schon etwa
ein halbes Jahrhundert alt gewesen4. Ob also die dort aufgeschrie-
benen Gebete wirklich noch am Jahrhundertende im Gottesdienst
genau ebenso vorkamen, ist ungewiß. Die Frage, ob Karl der
Große in der stadtrömischen Liturgie schon vor 800 geradezu den
byzantinischen Kaiser verdrängt hat, scheint mir daher unlösbar
zu sein. Aber schon die gesicherte Tatsache, daß er neben ihn
getreten ist, ist für das Ansehen, das der fränkische König bei den
Römern schon vor der Kaiserkrönung genoß, fast ebenso bedeut-
sam, wie jenes berühmte Lateranmosaik, auf dem Karl in den
ersten Jahren Leos III. in Parallele zu dem ersten christlichen
Kaiser der Römer gestellt wird5.
1 Vgl. H. Bresslau, Iidb. d. Urkundenlehre f. Deutschi. u. Italien
II 2, 2. Aufl., hrsg. v. II.-W. Klewitz (1931), 419f. Leo III. datiert dann
nach Karls Jahren, a quo cepit Italiam.
2 Ordo Romanus I 25 (L. A. Muratori, Opere tutte XIII, Arezzo 1773,
958); cod. Car. nr. 62 (ed. Gundlach, Epp. I, 589f.).
3 Hirsch S. 8 und DLZ 1930, Sp. 34 vertritt die Meinung, daß in der
Liturgie Karl d. Gr. schon seit Hadrian I. an die Stelle des Kaisers getreten
sei. E. Rosenstock, Sav.Z.G.A. XLIX (1929), 516 spricht dagegen die An-
sicht aus, daß der Kaiser zu Hadrians Zeit in der Liturgie noch fortgelebt habe.
4 Ygl. o S. 24 f
5 Ygl. P. E. "Schramm, Deutsche Kaiser und Könige in Bildnissen ihrer
Zeit I (1928) 27ff. zu II Tafel 4. Heldmann S. 184f. und Sav.Z.G.A. L (1930),
635ff. und H. Dankerbauer, Ztschr. f. Kirchengesch. XLVIII (1929), 473
 
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