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Gerd Tellenbach:
Karl der Große war von den Römern aus politischen Motiven,
die zum guten Teil mit seinen eigenen nichts zu tun hatten, und
aus einer Gedankenwelt heraus, die seiner eigenen völlig fremd war,
in die Rolle eines Usurpators gedrängt worden. Warum er das
geschehen ließ, braucht hier nicht erörtert zu werden* 1. Wichtiger
ist es, an die Verhandlungen Karls und seines Nachfolgers mit dem
byzantinischen Hof zu erinnern, die mit der Anerkennung des karo-
lingischen Kaisertums, andererseits aber mit dem Verzicht der Nen-
nung Roms und der Römer im Titel von Kaiser und Reich endeten2.
Dieses Ergebnis hat, wie Schramm wahrscheinlich machte, seinen
Niederschlag in der Liturgie gefunden. Schramm vergleicht die
Gebete des ältesten, uns bekannten fränkischen Königsordo von
768 mit der sog. Benedictio ad ordinandum imperatorem secundum
occidentales, die vermutlich für die Krönung von 816 hergerichtet
wurde. Er findet dabei, daß an Stelle des Francorum Imperium
des älteren Ordo in den meisten Handschriften der Benedictio nicht
Bomanum imperium getreten ist, sondern illud, hoc, Christianum
imperium3. Dem Christianum darf man, wie sich gleich ergeben
wird, nicht viel Beweiskraft einräumen. Dagegen macht des an
diesen Stellen ganz ungewöhnliche illud oder hoc Schramms Er-
gebnis ziemlich sicher, obgleich die Überlieferung der Benedictio
verhältnismäßig jung ist4. Solche Pronomina setzt man nämlich
an Stellen, wo das jeweils Passende eingefügt werden soll. Sie zeigen
deshalb, daß gerade an dieser Stelle das übliche Bomanum ver-
mieden werden sollte5.
Aus der Liturgie wollte man auch erkennen, daß vom karo-
lingischen Hof damals nicht nur das „römisch“ fallen gelassen,
sondern der Reichstitel positiv in imperium Christianum abge-
Stellung des fränkischen Königs vor 800 nicht gerecht wird und daher die tat-
sächliche Macht Karls als Patrizius und als Kaiser zu stark kontrastiert. Das
wahre Verhältnis von König und Papst schildert Hampe, Ilerrschergestalten,
2. Aufl. (1933), S. 36f.
1 Einige Bemerkungen dazu vgl. u. S. 39 Anm. 5.
2 Vgl. Schramm, AUF XI, 358ff. und die 360 Anm. 2 zitierte Literatur.
3 G. Waitz, Formeln der deutschen Königs- und römischen Kaiser-
krönung, GGAbh. XVIII (1873), 64ff. Allerdings ist in einzelnen Hss. auch
Romanum vertreten.
4 XI u. XII Jahrhundert.
5 Daß in der Postcommunio „Deus qui ad praedicandum“ das Romanum
gegenüber Francorum im fränk. Königsordo wiederhergestellt wurde (vgl.
Schramm, AUF XI, 359 Anm. 3), ist mir nicht zweifelhaft, spricht aber in
keiner Weise gegen Schramms Ansicht. Vgl. o. S. 10 Anm. 1 und u. S. 55 nr. 5.
Gerd Tellenbach:
Karl der Große war von den Römern aus politischen Motiven,
die zum guten Teil mit seinen eigenen nichts zu tun hatten, und
aus einer Gedankenwelt heraus, die seiner eigenen völlig fremd war,
in die Rolle eines Usurpators gedrängt worden. Warum er das
geschehen ließ, braucht hier nicht erörtert zu werden* 1. Wichtiger
ist es, an die Verhandlungen Karls und seines Nachfolgers mit dem
byzantinischen Hof zu erinnern, die mit der Anerkennung des karo-
lingischen Kaisertums, andererseits aber mit dem Verzicht der Nen-
nung Roms und der Römer im Titel von Kaiser und Reich endeten2.
Dieses Ergebnis hat, wie Schramm wahrscheinlich machte, seinen
Niederschlag in der Liturgie gefunden. Schramm vergleicht die
Gebete des ältesten, uns bekannten fränkischen Königsordo von
768 mit der sog. Benedictio ad ordinandum imperatorem secundum
occidentales, die vermutlich für die Krönung von 816 hergerichtet
wurde. Er findet dabei, daß an Stelle des Francorum Imperium
des älteren Ordo in den meisten Handschriften der Benedictio nicht
Bomanum imperium getreten ist, sondern illud, hoc, Christianum
imperium3. Dem Christianum darf man, wie sich gleich ergeben
wird, nicht viel Beweiskraft einräumen. Dagegen macht des an
diesen Stellen ganz ungewöhnliche illud oder hoc Schramms Er-
gebnis ziemlich sicher, obgleich die Überlieferung der Benedictio
verhältnismäßig jung ist4. Solche Pronomina setzt man nämlich
an Stellen, wo das jeweils Passende eingefügt werden soll. Sie zeigen
deshalb, daß gerade an dieser Stelle das übliche Bomanum ver-
mieden werden sollte5.
Aus der Liturgie wollte man auch erkennen, daß vom karo-
lingischen Hof damals nicht nur das „römisch“ fallen gelassen,
sondern der Reichstitel positiv in imperium Christianum abge-
Stellung des fränkischen Königs vor 800 nicht gerecht wird und daher die tat-
sächliche Macht Karls als Patrizius und als Kaiser zu stark kontrastiert. Das
wahre Verhältnis von König und Papst schildert Hampe, Ilerrschergestalten,
2. Aufl. (1933), S. 36f.
1 Einige Bemerkungen dazu vgl. u. S. 39 Anm. 5.
2 Vgl. Schramm, AUF XI, 358ff. und die 360 Anm. 2 zitierte Literatur.
3 G. Waitz, Formeln der deutschen Königs- und römischen Kaiser-
krönung, GGAbh. XVIII (1873), 64ff. Allerdings ist in einzelnen Hss. auch
Romanum vertreten.
4 XI u. XII Jahrhundert.
5 Daß in der Postcommunio „Deus qui ad praedicandum“ das Romanum
gegenüber Francorum im fränk. Königsordo wiederhergestellt wurde (vgl.
Schramm, AUF XI, 359 Anm. 3), ist mir nicht zweifelhaft, spricht aber in
keiner Weise gegen Schramms Ansicht. Vgl. o. S. 10 Anm. 1 und u. S. 55 nr. 5.