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Tellenbach, Gerd; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 1. Abhandlung): Roemischer und christlicher Reichsgedanke in der Liturgie des fruehen Mittelalters — Heidelberg, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.40170#0044
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Gerd Tellenbach:

Gebeten zusammengesetzt, aber häufig wurden auch neugebildete
hinzugefügt1. Diese Erscheinung ist natürlich eine Folge davon,
daß im 9. und 10. Jahrhundert die Christen schwer unter dem
Druck der wilden heidnischen Bedränger litten, und gerade in kirch-
lichen Kreisen die Solidarität der christlichen Staaten und ihre Ver-
pflichtung zur Bekämpfung der Heiden stärker zum Ausdruck ge-
bracht wurde. In der Gesinnung des christlichen Imperialismus
wurden damals Slaven und Ungärn, Sarazenen und Normannen
und heidnische Kelten in Schottland und Wales bekämpft2.
Der christliche Heidenkrieg gehört in seiner geistigen Erschei-
nung und in seiner theoretischen Formulierung zu dem Ideenkreis
des imperium Christianum. Deshalb wäre es bei der Aufdeckung
d r Zusammenhänge zwischen imperium Christianum und mittel-
alterlichem Kaisertum wichtig festzustellen, ob dem Kaiser eine
irgendwie einzigartige Funktion im Heidenkriege zukommt3.
Gewiß und allgemein anerkannt ist es, daß nach mittelalter-
licher Auffassung Heidenbekämpfung und Heidenbekehrung vor-
nehmste Aufgabe aller christlichen Könige war4, nicht nur des
Kaisers. Daß ihm, dem ersten von allen Fürsten, diese heilige
Pflicht oblag, ist selbstverständlich. Seine Siege wurden ihm als
Verdienst um die Christenheit angerechnet und als Beweis dafür
genommen, daß er der höchsten Krone würdig sei5. Dies wird un-
gewöhnlich klar in Papsturkunden, die bald nach der Kaiser-
1 Ygl. Hirsch, Kaisergedanke, S. 9; Erdmann, Heidenkrieg in der
Liturgie, S. 132ff. Zu den Heidenkriegsmessen des 9. Jahrhunderts, die noch
verhältnismäßig selten sind, wie Erdmann richtig gezeigt hat, gehören eine
missa pro paganis et omnibus inimicis und zwei missae pro paganis in einem
Sakramentar von St. Gatien in Tours, Paris, ms. lat. 9430 f. 46ff.
2 Sollte sich bei weiterer Erforschung der Fürbitten als richtig erweisen,
was meine provisorische Zusammenstellung (o. S. 27 f. mit Anm. 3) vermuten
läßt, nämlich daß es in den Litaneien des 10. Jahrhunderts üblich wird, für
das Heer der Christen zu beten, anstatt für das der Franken usw., so wäre
das ein weiteres Argument für die Meinung von Hirsch und Erdmann. Die
Feinde eines Christenheeres können nur Heiden, die eines Frankenheeres aber
auch Christen sein.
3 Vgl. dazu besonders Hirsch, Kaisergedanke und Erdmann, Heiden-
krieg in der Liturgie. A. Brackmann, Die Ostpolitik Ottos d. Gr., H.Z.
CXXXIV (1926), 242ff. und Anfänge der Slavenmission, behandelt ein an-
deres Thema, nämlich die Frage, ob sich für Karl d. Gr. und Otto d. Gr. aus
der Heidenbekämpfung und -missionierung Motive zur Verbindung mit dem
Papsttum ergaben.-
4 Vgl. Hirsch S. 12; Held mann S. 50 ff.; Pfeil S. 186f.
5 Vgl. Hirsch S. 14; Erdmann S. 136.
 
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