Römischer und christlicher Reichsgedanke.
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imperium Christianum verbürgt der eine zu Gott erhobene Heiland
selbst: der rex oder Imperator Christus.
Wie Juppiter im Himmel herrscht, so wird Augustus als Gott
auf Erden gelten, heißt es bei Horaz1. Und ähnlich werden seine
Nachfolger, die sich nach ihm nannten, unter dem Einfluß östlicher
Ideen für Ebenbilder des Götterkönigs auf Erden gehalten, be-
stimmt, als einzige und höchste die Welt zu leiten und zu befrieden.
Wer aber führt im Mittelalter Namen und Charakter Christi ? Wer
ist sein irdischer vicarius? Keineswegs allein der Kaiser, sondern
— so gut wie er — jeder König2.
Die Institution des mittelalterlichen Kaisertums bedarf noch
der Erforschung im einzelnen und einer wissenschaftlich zureichen-
den Darstellung im gesamten. Seine Geschichte läßt sich indessen
— soviel machen wieder die soeben angestellten Überlegungen ge-
wiß — nur zusammen mit der des Königtums schreiben. Es könnte
sogar scheinen, als gehörte zum christlichen Reichsgedanken gar
keine Kaiseridee, als wären die christlichen Könige die Beherrscher
der Christenheit, und als könne die Majestät des Königsamtes durch
nichts mehr übertroffen werden3. Jedoch, eine solche Betrach-
tungsweise wäre für die Zeit nach 800 unrichtig und einseitig. Vor-
her allerdings herrschten im größten Teil des Abendlandes univer-
sale Ideen, denen der Kaisergedanke fremd und unnötig war.
Dann aber wurde das Kaisertum neu geboren, aus politischen An-
lässen zwar, aber aus Anschauungen und in Formen, die allein in
römischer Tradition wurzelten. Durch diesen Akt, auf den der
große Frankenkönig schließlich positiv einging4, wurde das antike,
römische Gedankengut in Europa stark vermehrt. Aber nicht nur
das, sondern, nachdem das Kaisertum tatsächlich bestand, wurde
auch der Kaisergedanke in Zusammenhang mit dem imperium
Christianum gebracht ; er wurde von der in christlich-kirchlichen
Ideen lebenden mittelalterlichen Gesellschaft rezipiert. Indessen
hat Schramm mit Recht festgestellt, daß „das Kaisertum im Abend-
lande noch nicht wurzelfest geworden war, und daß es nicht als
1 Horaz, Oden III, 5.
2 Vgl. A. v. Harnack, Christus praesens — vicarius Christi, S.-B. d.
Preuß. Akad., phil.-hist. Kl. 1927, nr. 34 und dazu Tellenbach, Libertas, Anm.
XYI.
3 Vgl. o. S. 36.
4 Vgl. Brackmann, Anfänge der Slavenmission, S. 83; Ders., Römi-
scher Erneuerungsgedanke, S. 349; Schramm, Kaiser und Könige I, 29.
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imperium Christianum verbürgt der eine zu Gott erhobene Heiland
selbst: der rex oder Imperator Christus.
Wie Juppiter im Himmel herrscht, so wird Augustus als Gott
auf Erden gelten, heißt es bei Horaz1. Und ähnlich werden seine
Nachfolger, die sich nach ihm nannten, unter dem Einfluß östlicher
Ideen für Ebenbilder des Götterkönigs auf Erden gehalten, be-
stimmt, als einzige und höchste die Welt zu leiten und zu befrieden.
Wer aber führt im Mittelalter Namen und Charakter Christi ? Wer
ist sein irdischer vicarius? Keineswegs allein der Kaiser, sondern
— so gut wie er — jeder König2.
Die Institution des mittelalterlichen Kaisertums bedarf noch
der Erforschung im einzelnen und einer wissenschaftlich zureichen-
den Darstellung im gesamten. Seine Geschichte läßt sich indessen
— soviel machen wieder die soeben angestellten Überlegungen ge-
wiß — nur zusammen mit der des Königtums schreiben. Es könnte
sogar scheinen, als gehörte zum christlichen Reichsgedanken gar
keine Kaiseridee, als wären die christlichen Könige die Beherrscher
der Christenheit, und als könne die Majestät des Königsamtes durch
nichts mehr übertroffen werden3. Jedoch, eine solche Betrach-
tungsweise wäre für die Zeit nach 800 unrichtig und einseitig. Vor-
her allerdings herrschten im größten Teil des Abendlandes univer-
sale Ideen, denen der Kaisergedanke fremd und unnötig war.
Dann aber wurde das Kaisertum neu geboren, aus politischen An-
lässen zwar, aber aus Anschauungen und in Formen, die allein in
römischer Tradition wurzelten. Durch diesen Akt, auf den der
große Frankenkönig schließlich positiv einging4, wurde das antike,
römische Gedankengut in Europa stark vermehrt. Aber nicht nur
das, sondern, nachdem das Kaisertum tatsächlich bestand, wurde
auch der Kaisergedanke in Zusammenhang mit dem imperium
Christianum gebracht ; er wurde von der in christlich-kirchlichen
Ideen lebenden mittelalterlichen Gesellschaft rezipiert. Indessen
hat Schramm mit Recht festgestellt, daß „das Kaisertum im Abend-
lande noch nicht wurzelfest geworden war, und daß es nicht als
1 Horaz, Oden III, 5.
2 Vgl. A. v. Harnack, Christus praesens — vicarius Christi, S.-B. d.
Preuß. Akad., phil.-hist. Kl. 1927, nr. 34 und dazu Tellenbach, Libertas, Anm.
XYI.
3 Vgl. o. S. 36.
4 Vgl. Brackmann, Anfänge der Slavenmission, S. 83; Ders., Römi-
scher Erneuerungsgedanke, S. 349; Schramm, Kaiser und Könige I, 29.