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Tellenbach, Gerd; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 1. Abhandlung): Roemischer und christlicher Reichsgedanke in der Liturgie des fruehen Mittelalters — Heidelberg, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.40170#0048
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42

Gerd Tellenbach:

Notwendigkeit der von Gott bestimmten Welt und Geschichts-
ordnung begriffen wurde.“1 Der römische Reichsgedanke, in dem
schließlich doch immer jedes Kaisertum, das nicht bloß titular ist,
eigentlich wurzelt, war noch zu schwach, die Verbindung von Im-
perium Christianum und Kaisergedanken zu neu und zufällig, als
daß die kaiserliche Würde wesentlich über die königliche hätte
hinausgehoben werden können2.
Ein Amt allerdings, das dem mittelalterlichen Kaiser eigen-
tümlich ist, und das vielleicht immer sein realster Besitz geblieben
ist, hat schon Karl der Große innegehabt: die Vogtei über die
römische Kirche. Die defensio ecclesiae Romanae, seit dem 10. Jahr-
hundert auch advocatia ecclesiae Romanae genannt, ist freilich kein
ursprünglich kaiserliches Amt. Sie hat ihre Anfänge in den Tagen
Pippins und Stephans II. und wurde vor 800 von den fränkischen
Königen geübt3. Seitdem aber Karl der Große Kaiser geworden
war, ist sie ein integrierender und spezifischer Bestandteil der
kaiserlichen Würde. Um die Bedeutung der römischen Vogtei für
die universale Stellung des Kaisers im imperium Christianum ganz
erfassen zu können, müßte die Beziehung der ecclesia Romana zur
ecclesia universalis dogmengeschichtlich noch genauer herausgear-
beitet werden. Man wird nicht fehlgehen, wenn man sie mit dem
alten Verhältnis von urbs und orbis vergleicht. Sehr treffend ist
auch ein Ausdruck von Sohm, der Rom den Mikrokosmos der
Kirche nennt4. Auf solcher Proportion beruht die früh lebendige
Romverehrung5, die eine klassische, m. W. bisher nicht beachtete For-
mulierung in folgendem Gebet des Sacramentarium Leonianum ge-
funden hat: Omnipotens sempiterne deus, qui inejfabili sacramento
1 Schramm, Kaiser, Rom und Renovatio I, 15. Die Ansichten Rosen-
stocks, Furt der Franken, bes. S. 539ff. und Sav.Z. XLIX 509ff. über den
Kaiser als Herrn der Kirche vermag ich mir nicht zu eigen zu machen. Sie
mögen für die byzantinische Reichskirche richtig sein. In der fränkischen
Kirche hat nur der König etwas zu sagen und Karl d. Gr. hat durch die
Krönung hinsichtlich seiner Kirchherrschaft nichts Wesentliches gewonnen.
Vgl. auch Heldmann, Sav. Ztschr. G.A. L, 649ff.
2 Der Geschichte der staatsrechtlichen Bedeutung des Imperiums ist
Stengels ausgezeichnete Abhandlung über Regnum und Imperium gewidmet.
3 Caspar, Pippin und die römische Kirche, S. 18ff. u. 180ff. Es muß
ausdrücklich bemerkt werden, daß die defensio, die Pippin übernahm, durch-
aus verschieden von der Herrschaft des byzantinischen Kaisers über die
Kirche war.
4 Sohm, Kirchenrecht 1 (1892), 381.
5 Vgl. Pfeil, Romgedanke; Schramm, a. a. O., S. 33ff. und öfters.
 
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