Platonismus und Mystik im Altertum.
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Literatur und Schulgeschichte gehabt, und zahlreiche Bruchstücke
der Popularliteratur sind auf uns gekommen. Dennoch wissen
wir streng genommen nicht des genaueren, wie und wo die pJatoni-
sierenden Tendenzen dieser drei Schulformen im einzelnen ent-
standen sind. Nur dies ist zu sagen, daß der Anfang der Entwick-
lung damit gegeben war, daß die Stoa immer mehr ihre kynischen
Elemente hinter sich ließ, heraklitische ausbildete und von der
Logoslehre aus den Weg zu Platon suchte. An die stoische Richtung
aber knüpften nicht nur die folgenden an, sondern alle drei gehen
auch vielfach ineinander über, und zwar je später, umso mehr;
und z. B. bei Plutarch, Plinius, Seneca, aber auch schon bei Cicero
im Somnium Scipionis wirken gewisse Motive aller drei Richtungen
wie Varianten Eines Themas. Und das sind sie auch in der Tat.
Besonders die substantielle Aussamung des Einen oder seine
numerische Ausfaltung oder sein inaktives Ausströmen werden,
mindestens vom ersten vorchristlichen Jahrhundert an, immer
mehr zu Spielarten einer und derselben Grundüberzeugung von
der aus Gott selber stammenden gestuften Ordnung des Welt-
ganzen; und die drei in ihren logisch-systematischen Prinzipien
so heterogenen Richtungen werden, einander bundesgenössisch* 1
slützend und peripatetische Einflüsse nicht nur mitverarbeitend,
sondern im Tiefsten durch Aristoteles maßgebend bestimmt
Philosophie, in welcher das Bedürfnis nach Weltanschauung und Lebens-
gestaltung einerseits mit ursprünglicher Kraft neu durchbricht und dennoch
andererseits die geschichtliche Kontinuität zu bewahren strebt, bringt zugleich
einen philosophischen Fortschritt. Denn in der Philosophie besteht Fort-
schritt nicht nur in der Weiterentwicklung von Methoden, sondern ebenso
sehr in der Neuentfaltung von Problemen. (Aus diesem Grunde ist jede philo-
sophiegeschichtliche Untersuchung, im Gegensatz zu der literar-philologischen,
zugleich ein systematisches Philosophieren in historischer Dimension: es
handelt sich um ein Verstehen sachlicher Gründe für philosophischen Fort-
schritt.) Was der Hellenismus an kritischer Methode einbüßte, überholte er
durch die elementare Kraft, mit der er das Ganze der Welt- und Le-
bensproblematik aufrollte, wofür die Synkretismen und Eklektizismen Mittel
waren, die aus dem Wesen der Aufgabe folgten.
1 Hierbei schied zunächst auf lange Zeit der (äußerlich erfolgreichste)
Epikureismus aus derjenigen Entwicklung aus, welche für die Kulturgeschichte
der Vernunft vorerst bestimmend wurde. Wie sich hingegen die Skepsis dem
stoischen Dogmatismus amalgamieren ließ, zeigt Cicero; wie Aristoteles sich
auf den Platonismus umformen ließ, zeigen die Kompendien nach Art des
Albinos (vgl. Freudenthal, Hellen. Stud. III, 322ff.); Stoisches wird als
pythagoreische Weisheit ausgegeben im Pinax des Kebes (vgl. R. E. XI, 1,
Sp. 103).
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Literatur und Schulgeschichte gehabt, und zahlreiche Bruchstücke
der Popularliteratur sind auf uns gekommen. Dennoch wissen
wir streng genommen nicht des genaueren, wie und wo die pJatoni-
sierenden Tendenzen dieser drei Schulformen im einzelnen ent-
standen sind. Nur dies ist zu sagen, daß der Anfang der Entwick-
lung damit gegeben war, daß die Stoa immer mehr ihre kynischen
Elemente hinter sich ließ, heraklitische ausbildete und von der
Logoslehre aus den Weg zu Platon suchte. An die stoische Richtung
aber knüpften nicht nur die folgenden an, sondern alle drei gehen
auch vielfach ineinander über, und zwar je später, umso mehr;
und z. B. bei Plutarch, Plinius, Seneca, aber auch schon bei Cicero
im Somnium Scipionis wirken gewisse Motive aller drei Richtungen
wie Varianten Eines Themas. Und das sind sie auch in der Tat.
Besonders die substantielle Aussamung des Einen oder seine
numerische Ausfaltung oder sein inaktives Ausströmen werden,
mindestens vom ersten vorchristlichen Jahrhundert an, immer
mehr zu Spielarten einer und derselben Grundüberzeugung von
der aus Gott selber stammenden gestuften Ordnung des Welt-
ganzen; und die drei in ihren logisch-systematischen Prinzipien
so heterogenen Richtungen werden, einander bundesgenössisch* 1
slützend und peripatetische Einflüsse nicht nur mitverarbeitend,
sondern im Tiefsten durch Aristoteles maßgebend bestimmt
Philosophie, in welcher das Bedürfnis nach Weltanschauung und Lebens-
gestaltung einerseits mit ursprünglicher Kraft neu durchbricht und dennoch
andererseits die geschichtliche Kontinuität zu bewahren strebt, bringt zugleich
einen philosophischen Fortschritt. Denn in der Philosophie besteht Fort-
schritt nicht nur in der Weiterentwicklung von Methoden, sondern ebenso
sehr in der Neuentfaltung von Problemen. (Aus diesem Grunde ist jede philo-
sophiegeschichtliche Untersuchung, im Gegensatz zu der literar-philologischen,
zugleich ein systematisches Philosophieren in historischer Dimension: es
handelt sich um ein Verstehen sachlicher Gründe für philosophischen Fort-
schritt.) Was der Hellenismus an kritischer Methode einbüßte, überholte er
durch die elementare Kraft, mit der er das Ganze der Welt- und Le-
bensproblematik aufrollte, wofür die Synkretismen und Eklektizismen Mittel
waren, die aus dem Wesen der Aufgabe folgten.
1 Hierbei schied zunächst auf lange Zeit der (äußerlich erfolgreichste)
Epikureismus aus derjenigen Entwicklung aus, welche für die Kulturgeschichte
der Vernunft vorerst bestimmend wurde. Wie sich hingegen die Skepsis dem
stoischen Dogmatismus amalgamieren ließ, zeigt Cicero; wie Aristoteles sich
auf den Platonismus umformen ließ, zeigen die Kompendien nach Art des
Albinos (vgl. Freudenthal, Hellen. Stud. III, 322ff.); Stoisches wird als
pythagoreische Weisheit ausgegeben im Pinax des Kebes (vgl. R. E. XI, 1,
Sp. 103).