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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0048
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Ernst Hoffmann:

Entquellen, wofern sie Mittel sein wollen, um das Problem des
‘Einen und Vielen’ zu lösen, am Maßstabe der Platonischen Dia-
lektik gemessen Bastardbegriffe sind. Die ganze Entwicklung der
Platonkonversion ist durch den von der Stoa eingeschlagenen Weg
bestimmt; und die Stoa kommt auch in'ihrer platonisierenden
Phase, als nicht mehr Barbaren, sondern Hellenen die Schulrichtung
bestimmen, nicht davon los, daß ihre historische Anfangsposition
materialistisch gewesen war: Der ‘Weltkörper’ ist es, der vom
göttlichen, aber gleichfalls körperlichen Pneuma durchdrungen
wird. Daher entwickelt sich die ganze Begriffsbildung der Stoa
und der ihr folgenden Richtungen an dem Kanon körperlich-
substantieller Vorstellungen. Und diese Provenienz der ganzen
hellenistischen Platonkonversion aus einer Dogmatik, die zuerst
durch Physik, sodann durch Biologie hindurchgegangen war,
wirkt bis auf den Neuplatonismus, indem die materialistische
Generatio schließlich in spiritualistische Emanatio umschlägt,
wobei für beide die mathematische Explicatio den Schein einer
dialektischen Begriffsrechtfertigung zur Verfügung stellt. Indem
so die Ideen als absoluter Seinsbereich aus dem Weltbilde ver-
schwunden sind, ist auch die Methexis verschwunden; denn der
tragende Gedanke Platons war gerade der gewesen, daß alles
Existierende nicht nur durch Teilhabe am absolut Einen existiert,
sondern auch durch Teilhabe an der bestimmten Vielheit absoluter
Seinseinheiten. Wir werden später sehen, inwiefern jetzt erst,
nachdem die Platonische Methexis preisgegeben ist, der Weg zur
Mystik offen steht: Aussamnng, Ausfaltung, Ausströmung (für
welche Platon noch nicht einmal Wörter gehabt hatte) können be-
grifflich Hilfe leisten, um das Sehnen des Mystikers nach erneuerter
‘Einung’ mit dem Absoluten zu befriedigen; Platons Teilhabe
aber in ihrem genuinen Sinne bildet für alle Unionstendenzen eine
unüberwindbare Schranke. — Dennoch ist kein Zweifel, daß jene
drei skizzierten Richtungen der spätantiken Philosophie ihre Art
des Platonisierens und die Einverleibung Platonischer Lehrstücke
in ihre Systeme für legitim hielten und den Maßstab der Dialektik
für die Beurteilung des Wahrheitsgehaltes ihrer Dogmatik abge-
lehnt hätten. Denn am Zustandekommen des hellenistischen Welt-
bildes wirkten Kräfte mit, die sich in die Grenzen der Dialektik
nicht einfangen lassen1. Jede der drei Richtungen hat ihre eigene
1 Es ist mit dem Wesen einer Untersuchung wie der vorliegenden ver-
bunden, daß die Epigonen klein erscheinen. Indessen, jede Epoche der
 
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