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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0118
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Ernst Hoffmann:

Aristoteles läßt die Dreiheit der Grundprinzipien Zweck, Form und
Möglichkeit im Weltganzen selber wirken; und damit lehrt er eine
Immanenz, die um so stärker in der Richtung eines trinitarischen
Waltens wirken mußte, je näher sie sich dem Gedanken des Xeno-
krates verband, daß das Dämonische in der Welt der Träger der
göttlichen Immanenz sei. Erhielt so durch Dynamisierung und
Dämonisierung der Trinitätsgedanke die erforderliche Elastizität,
um Gottesweisheit, Weltweisheit und Lebensweisheit durchdringen
zu können, so war es die systematische Dreifaltigkeit von Physik,
Logik, Ethik, die dem Trinitätsgedanken jene bleibende Festigkeit
verlieh, die ihn dauern ließ, bis er in Augustins Esse, nosse, veile
als der Spiegelung göttlicher Dreieinheit in unserm Seelenleben zu
neuer philosophischer Wirkung auferstehen sollte.
XI.
Alle großen Schöpfungen christlicher Mystik bewahrten reiches
Erbgut von der geschilderten spätantiken Philosophie, die aus kon-
vertiertem Platonismus stammte. Es ist dabei für das philosophie-
geschichtliche Interesse weniger wichtig zu verfolgen, wie die Kirche,
nachdem sie bisher alle ihre Kräfte gebraucht hatte, um sich selbst
zu konsolidieren, vom vierten Jahrhundert an ganz unmittelbar
vom Neuplatonismus fertige Formeln übernahm* 1, als zu beobachten,
wie 'die alten Schläuche mit dem neuen Weine gefüllt wurden’.
Hier war es vor allem Augustinus2 * *, in dessen persönlicher Lebens-
entwicklung sich die innerliche Umgestaltung der alten system-
Conv. 202 e zitiert. Platon faßt das daimonische Metaxy zwischen dem Gött-
lichen und dem Sterblichen ausdrücklich nicht als Interposition kausaler
Macht, sondern als Mvündung’ des Menschlichen an die Götter, des Göttlichen
an die Menschen. Auf diese Weise ist das All gebunden.
1 Vgl. die ausgezeichnete Untersuchung von J. Dräseke, Neuplatoni-
sches in des Gregorios von Nazianz Trinitätslehre. Byzantin. Zeitschrift XV
1906, S. 141 ff. Gregorios, weit entfernt, sich mit den bloß schriftgemäßen
Erörterungen der früheren Theologen über die Dreieinigkeitslehre zu begnügen,
gab (Or. XXIX, 2, ed. Bened. T. I, p. 523f.) dem Lehrstück diejenige Fassung,
durch welche der pythagoreisch-neuplatonische Gedanke am wirksamsten die
ganze mittelalterliche Trinitätsspekulation befruchtet hat: pova? ä-5 apx^k ek
SuaSa xivyjüsiaa TpidcSo? sott). Ebenso prägnant die Formel des Jambli-
chus bei Damascius De princ. 54: nocr/jp r) (brap&<;, Aüvapic; uroxpEsco!;,
N6t)ch<; t% Suvapscoi;, (Die Setzung von vorjaiq für 7rveöpa ist häufig.)
2 Vgl. die mit zuverlässigen Quellenangaben ausgestattete Darstellung
von J. Bernhart, Die philosophische Mystik des Mittelalters, München 1922,
S. 55 ff.
 
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