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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0032
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28

Ernst Hoffmann:

jenseits solcher Alternativen liegt1, so ist der nach Platon gesollte
Weg der Seele zwar durch das Ziel des ‘Guten’ ein grundsätzlich
glückseliger Weg; aber er kennt nicht nur die Wonne des philo-
sophischen ‘Enthusiasmus’, sondern gerade wegen seiner auch die
Schule des Leidens und er verneint die Lust als leitendes Prinzip.
IV.
Alle Mystik2 des Abendlandes unterscheidet eine dreifache
Welt, die sinnliche, die geistige und die göttliche, und ihnen ent-
sprechend eine dreifache Art des Erkennens, die sensitive, die
rationale und die intelligible; für die Seele aber gilt es, von der
niederen Art stufenweise zur höheren aufzusteigen und damit die
Vorbereitung zu vollziehen, daß die intelligible Schau in einem
Aufgehen unserer Seele im Absoluten kulminieren, und uns in
dieser Einung mit Gott unsern Vollendungszustand erreichen
lassen kann. Alle Mystik dieser Art glaubte, in Platons Lehre
ihren Ahn und Eideshelfer zu haben3. Seitdem die Philosophie-
geschichte kritisch geworden ist, versucht man nicht mehr, jenes
Schema der Mystik unmittelbar auf Platon zurückzuführen,
sondern richtiger auf die von Plotinos und Proklos dem Platonismus
gegebene Spätform. Doch hiermit werden höchstens Daten gegeben
und zwar nur sehr im Groben4; vor allem bleibt offen, worauf es
für das tiefere philosophiegeschichtliche Verständnis ankommt:
Von welcher Art und Tendenz war die Konversion, die der genuine
1 Vgl. meine Ausführungen zu Burnets Platonismus im Gnomon V,
1919, S. 641 ff.
2 Die vorliegende Abhandlung gibt in erweiterter Form den ersten Teil
einer am 9. Januar 1932 der Akademie vorgelegten problemgeschichtlichen
Untersuchung, die sich bis zur Yisio Dei des Cusanus erstreckt. Nachdem hier
die antiken Voraussetzungen der mittelalterlichen Unio mystica behandelt
sind, bringt der Rest der Arbeit die christlichen Weiterbildungen. Er wird
unter Beigabe einiger mystischer Texte später erscheinen.
3 Das Konservative der Terminologie leistete Vorschub: afalbjan; -
sensatio, Suxvoiot = ratio, v6t)ch<; = intuitio. Allmählich wurde die eixacua
zum Vermögen der ‘Vorstellung’ umgebildet und als imaginatio (gegen Platon)
über die sensatio gestellt; die votjan; wurde zu intuitiver yvaiai.? umgewandelt.
Über die problemgeschichtlichen Voraussetzungen dieser Transformation
s. u. S. 97.
4 Einen erfolgreichen Versuch, mit philologischen Mitteln die Schichten
aufzuweisen, aus denen die Entwicklung zu Plotinos hin erfolgte, hat
W. Theiler unternommen, Die Vorbereitung des Neuplatonismus, Berlin
1930 (Problemata I).
 
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