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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0033
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Platonismus und Mystik im Altertum.

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Platonismus systematisch durchmachen mußte, um scheinbar zu
voller Mystik umgewandelt werden zu können ?
Erinnern wir uns an Platons Tmematik, die sich selber durch
die dihäretische Natur des Denkens begründet und gesichert wußte,
so ist zunächst festzustellen, daß sich gegensätzlich zu ihr im Ver-
laufe weniger Generationen das Grundmotiv der philosophischen
Systematik in Griechenland gänzlich geändert hat. Unter den
neuen Philosophien, welche im Hellenismus entstanden, trugen
diejenigen, welche im Laufe ihrer Entwicklung Anschluß an
Platon suchten, deutlich das Gepräge eines neuen philosophischen
Bedürfnisses an sich, welches zusammenhing mit dem Zeitcharakter
der ganzen Epoche: dem politischen Zerfall Griechenlands, der
religiösen Entwurzelung der Völker und dem aus der Philanthropie
der griechischen Klassik erwachsenen und bald missionarisch sich
ausbreitenden Bewußtsein einer übernationalen Solidarität alles
Menschentums als solchen. Es war die Epoche entste-
hender Verinnerlichung des abendländischen Menschen in dem
Sinne, daß das Innenleben des Menschen selber zum ver-
nehmlichen Gegenstände des Interesses wurde. Der Mensch
hatte darauf verzichten gelernt, seinen Halt und Ankergrund
irgendwo außerhalb seiner selbst zu suchen, sei es im olympi-
schen Götterhimmel, sei es in der vergotteten Polis. Er flüchtete
jetzt von den Nöten der Umwelt ins Menschliche, in sein eigenes
Innere; und daß er dies konnte, daß ein solch inneres Selbst inhalt-
erfüllt, bewußt und personell geworden war, daß es ein ‘Ich’ gab1,
welches sich etwas zu sagen hatte und sich selber genügen wollte,
dies war das Erbe der gesamten geistigen Kultur Griechenlands
mit dem unendlichen Beichtum ihrer Bildungsgüter: Als der poli-
tische und religiöse Verfall eintrat, erstand das Bewußtsein des
Ich wie der Phönix aus der Asche. Und dies Ich-Bewußtsein er-
starkte noch besonders, als die Philosophie von den Bömern mit-
übernommen wurde2 und als das bewußte Mannestum dieses Vol-
1 Bernhard Groethuysen, Philosophische Anthropologie (Handbuch
der Philosophie Abt. III) Kap. 4: Die griechisch-römische Lebensphilosophie,
die neue anthropologische Einstellung, Persönlichkeit.
2 Als Ed. Zeller seinen Aufsatz über Religion und Philosophie bei den
Römern schrieb (Yortr. und Abh. II, S. 98ff.), wurde dies Problem noch gar
nicht gestreift. Ygl. jetzt Rich. Harder, Einbürgerung der Philosophie in
Rom, Die Antike V, S. 291—316. Derselbe, Über Ciceros Somnium Scipionis,
Schriften der Königsberger Gelehrten Gesellschaft, Geisteswiss. Klasse
6. Jahr, Heft 3, 1929. W. Capelle, Griechische Ethik und römischer Im-
 
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