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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0055
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Platonismus und Mystik im Altertum.

51
entstehenden Gesamtausgaben1 Platons nicht so unplatonische
Mystifikationen wie den Theages2 aufgenommen und sich nicht zu
Eideshelfern jener ‘Introduktionen’3 in Platons Lehre gemacht,
die bis in die Renaissance hinein, ja über sie hinaus den Charakter
der traditionellen Platonauffassung bestimmt haben und mit
Recht noch im Appendix unserer modernen Ausgaben als inte-
grierende Bestandteile der Traditionsschichtung mitabgedruckt
werden.

VI.
Fragen wir nun, wie es von jenen drei Formen des konvertierten
Platonismus aus zur Mystik kommen konnte, so genügt eine kurze
Überlegung der Rolle, die in jeder der drei Richtungen dem Begriff
der Seele zugeteilt wurde:
Nach stoischer Ansicht ist die Seele allmählich erkrankt, aus
dem Generari ist ein Degenerari geworden. In der Seele hatten ur-
sprünglich, als sie noch in der Aurea aetas gesund war, die göttlichen
Vernunftkeime unverkümmert gelegen, sie hatte infolgedessen das
Gesollte rein und ungetrübt gesehen und betätigt. Aber alle wahren
Urbilder des Vernünftigen sind ihr im Laufe der Kulturgeschichte

1 Die Textanordnung unserer Handschriften geht nicht erst auf Thra-
syllos im ersten Jahrh. nach Chr. zurück, sondern auf den pythagoreisierenden
Platoniker Derkyllidas, dessen tetralogische Ordnung Aristophanes von
Byzanz in eine trilogische umgewandelt hat. (Wilamowitz, Platon II, 323.
Kroll, RE. Y, 242).
2 ‘Daß Niebuhr am Theages Gefallen finden konnte, ist für seine Ver-
kennung Platons bezeichnender als alles andere’. Wilamowitz II, 323 Anm.
Diese ‘Verkennung Platons’ ist erneuert worden durch P. Friedländers
Versuche, den Theages zu retten.
3 Übrigens ausgezeichnet in den Formulierungen, z. B. der sog. Alkinoos
Kap. IX S. 163 Hermann: s<m 8s rj ISscc <k gev itpk Dsöv votjctk; auroü, <k
8s Trpk 7]ß(x? votjtov Tipö-rav, <k 8s rcpk ttjv üYrjv gsrpov, <k Ss ~pk töv
alah-YjTÖv xoagov TCapdcSsiyga, ck §s Tipop aütt)v s^eTa^ofxsvy) oua'ux. Diese
Erkenntnis des Pluralismus der Ideenfunktion muß musterhaft genannt
werden. Nachgeahmt bei Donatus Veronensis De Platon, et Aristot.
philosophiae differentia, Venedig 1540, S. 15: Idea igitur, quidquid
est, si consyderetur quatenus ad Deum ipsum pertinet, nihil est aliud
quam ipsius Dei intelligentia aeterna perfecta, ut vero ad nos, id primum,
quod ad intelligentiam nostram venire potest. sin autem ad materiam
referatur, erit mensura. quodsi ad hunc mundum sensibus nostris patentem,
erit Idea exemplar. quodsi per seipsam exquiratur, quid sit, eadem erit
essentia.
 
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