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Carl Brinkmann:
Allmendberechtigungen unterliegt. Die Betriebszählung von 1933
ergab in Baden 307903 ha land- und forstwirtschaftliche Lände-
reien in Gemeindeeigentum, davon 162921 selbständige Betriebe,
94740 und 11795 gemeinsam genutzte Wald- und Weideflächen
und 38447 sonstige Flächen (Wirtschaft und Statistik 14, 235).
Es stellt sich somit heraus, daß die Interessen der Allmend
einerseits, des Gemeindegrundbesitzes andererseits heute bereits
entsprechend dem oben Angeführten, vor allem auch in der größen-
mäßigen Entwicklung, bemerkenswert auseinandergehen und nicht
miteinander vermengt werden dürfen. Die bekannte Tatsache z. B.,
daß sich Gemeindewaldbesitz nicht nur in den beiden Klassen der
unverteilten Allmend und des unverteilten Gemeindeforstbetriebes,
sondern auch (z. B. in Rußheim und Liedolsheim) als Parzellen in
der verteilten Allmend findet, beleuchtet den Gegensatz zwischen
dem (gewiß nicht überall verwirklichten, aber doch anzustrebenden)
Ideal eines rationell bewirtschafteten Gemeindewaldbesitzes und
einem niemals rationell zu bewirtschaftenden verteilten Allmend-
wald. Ein ähnlicher Gegensatz aber muß vielfach zwischen unge-
regeltem Allmendweidebetrieb und dem Ideal einer rationellen Vieh-
haltung bestehen. Da neuere Untersuchungen hierüber fehlen, ver-
weise ich auf die älteren Erhebungen des badischen Innenministe-
riums aus 1889/90 über die Schwarzwaldweiden. Dort wurde da-
mals festgestellt, ,,es seien im Amtsbezirk Schönau große Flächen
vorhanden, deren Zustand das öffentliche Interesse gefährdet, und
der Betrieb der Weidewirtschaft sei ein derartiger, daß in nicht
ferner Zeit weitere ausgedehnte Flächen in denselben Zustand
herunterkommen müßten. Der gegenwärtige Weidebetrieb sei nicht
eine Nutznießung, sondern ein allmähliches Auf zehren des Gemeinde-
vermögens zum Schaden der späteren Generationen und zum Scha-
den der Allgemeinheit1.“
Ein oft übersehener wunder Punkt der Allmendnutzung ist end-
lich noch die Entartung des ursprünglich wechselseitigen Verhält-
nisses zwischen Rechten und Pflichten der Allmendgenossen. Aus
der älteren Zeit der Deckung von Gemeindebürgerschaft und All-
1 W.Wygodzinski in Jahrbüchern f. Nationalök. u. Stat. 63 (1894), 422f.
Die große geschichtliche Entwicklung schwankt zwischen den Extremen des
„Einfassens“ der Allmend, wie es in Württemberg 1515 typisch hieß (engl,
enclosure; Th. Knapp, Ges. Beiträge 162, Anm. 2), und dem zähen Kampf
der Allmender z. B. gegen grundherrliche Forstordnung, wie ihn für Frankreich
Balzacs „Paysans“ klassisch schildern.
Carl Brinkmann:
Allmendberechtigungen unterliegt. Die Betriebszählung von 1933
ergab in Baden 307903 ha land- und forstwirtschaftliche Lände-
reien in Gemeindeeigentum, davon 162921 selbständige Betriebe,
94740 und 11795 gemeinsam genutzte Wald- und Weideflächen
und 38447 sonstige Flächen (Wirtschaft und Statistik 14, 235).
Es stellt sich somit heraus, daß die Interessen der Allmend
einerseits, des Gemeindegrundbesitzes andererseits heute bereits
entsprechend dem oben Angeführten, vor allem auch in der größen-
mäßigen Entwicklung, bemerkenswert auseinandergehen und nicht
miteinander vermengt werden dürfen. Die bekannte Tatsache z. B.,
daß sich Gemeindewaldbesitz nicht nur in den beiden Klassen der
unverteilten Allmend und des unverteilten Gemeindeforstbetriebes,
sondern auch (z. B. in Rußheim und Liedolsheim) als Parzellen in
der verteilten Allmend findet, beleuchtet den Gegensatz zwischen
dem (gewiß nicht überall verwirklichten, aber doch anzustrebenden)
Ideal eines rationell bewirtschafteten Gemeindewaldbesitzes und
einem niemals rationell zu bewirtschaftenden verteilten Allmend-
wald. Ein ähnlicher Gegensatz aber muß vielfach zwischen unge-
regeltem Allmendweidebetrieb und dem Ideal einer rationellen Vieh-
haltung bestehen. Da neuere Untersuchungen hierüber fehlen, ver-
weise ich auf die älteren Erhebungen des badischen Innenministe-
riums aus 1889/90 über die Schwarzwaldweiden. Dort wurde da-
mals festgestellt, ,,es seien im Amtsbezirk Schönau große Flächen
vorhanden, deren Zustand das öffentliche Interesse gefährdet, und
der Betrieb der Weidewirtschaft sei ein derartiger, daß in nicht
ferner Zeit weitere ausgedehnte Flächen in denselben Zustand
herunterkommen müßten. Der gegenwärtige Weidebetrieb sei nicht
eine Nutznießung, sondern ein allmähliches Auf zehren des Gemeinde-
vermögens zum Schaden der späteren Generationen und zum Scha-
den der Allgemeinheit1.“
Ein oft übersehener wunder Punkt der Allmendnutzung ist end-
lich noch die Entartung des ursprünglich wechselseitigen Verhält-
nisses zwischen Rechten und Pflichten der Allmendgenossen. Aus
der älteren Zeit der Deckung von Gemeindebürgerschaft und All-
1 W.Wygodzinski in Jahrbüchern f. Nationalök. u. Stat. 63 (1894), 422f.
Die große geschichtliche Entwicklung schwankt zwischen den Extremen des
„Einfassens“ der Allmend, wie es in Württemberg 1515 typisch hieß (engl,
enclosure; Th. Knapp, Ges. Beiträge 162, Anm. 2), und dem zähen Kampf
der Allmender z. B. gegen grundherrliche Forstordnung, wie ihn für Frankreich
Balzacs „Paysans“ klassisch schildern.